Donnerstag, 30. April 2015

Eigentlich ganz leicht ...


Was braucht man, um schöne Fotos zu machen?
Beobachtungsgabe, ein bisschen Glück und eine funktionierende Kamera.

Als ich gestern auf der Auer Dult unterwegs war, fiel mein Blick auf diesen roten Regenschirm. Wunderbar, dass gerade noch eine kleine zarte Wolke am Himmel entlang driftete. Die Wettervorhersage hatte ich auch im Hinterkopf: Morgen wird es wieder regnen! Schon war die Idee zu diesem Bild geboren.

Cloudbusting?





















Bis es genau so im Kasten war, verging etwa eine Minute. Ich habe mehrere Versionen fotografiert, nachdem ich die Standinhaberin gefragt hatte, ob es okay wäre, wenn ich ihre Deko ablichte. Sie wollte anschließend wissen, ob das Bild denn etwas geworden sei. Als ich ihr das Ergebnis zeigte war sie ziemlich verblüfft.

Für mich sind Motive wie dieses fotografischer Alltag. Mein fotografischer Blick ist auf starke Signalfarben und minimalistische Motive geeicht. Es fällt mir leicht, so etwas zu entdecken. So etwas kann man lernen und trainieren. Trotzdem wäre es langweilig, wenn jeder am Ende dieselben Fotos machen würde. Die Grundprinzipien, nach denen man Bilder aufbauen und gestalten kann, sind immer dieselben, aber
  • es gibt ganz unterschiedliche Motive
  • es gibt den (bewussten) Regelbruch und vielleicht am wichtigsten
  • es gibt ganz verschiedene Fotografen, die unterschiedliche Interessen haben. 
Für Sie wäre dieses Motiv vielleicht völlig uninteressant, belanglos. Oder Sie wären mit einer anderen Lösung (einem anderen Bild) nach Hause gekommen als ich. Auf den ersten Blick ist mein Foto ein plakatives, minimalistisch komponiertes Motiv. Es folgt der Drei-Farben-Regel, es gibt eine aufsteigende Linie und einen Blickfang in der Signalfarbe Rot, dadurch entwickelt es eine starke grafische Wirkung. Der Schirm ließ sich nicht ganz im Goldenen Schnitt platzieren, weil ich die Wolke darüber ganz einbauen wollte, sie war mir als zweites Element  ausgesprochen wichtig. Ohne sie hätte ich das Foto besser nach der Drittelregel komponieren können:

























In dieser Variante ist die Wolke noch zu sehen, aber sie ist angeschnitten.
Ein Anschnitt suggeriert häufig, dass sich der fehlende Teil außerhalb des Bildrahmens bis ins Endlose fortsetzt. In diesem Fall könnte der Betrachter des Bildes glauben, die Wolke wäre größer als sie es tatsächlich war. Ich wollte aber zeigen, dass sie nur sehr klein und halb in Auflösung begriffen war. Macht es einen Unterschied?
Für Sie vielleicht nicht, für mich schon.

Damit sind wir bei den unsichtbaren Bedeutungen, die ein Bild in sich tragen kann. Solche Bedeutungen sind oft symbolhaft verschlüsselt, manchmal kann man sie gar nicht konkret benennen. Da ist nur so ein Gefühl: es bedeutet etwas für mich. Um herauszufinden warum manche Bilder eine emotionale Wirkung entfalten, kann man einen passende Bildtitel oder eine Überschrift formulieren. Danach ergeben sich die Assoziationsketten von selbst.

Als Bildtitel kam mir ganz spontan das Wort "Cloudbusting" in den Sinn. Vielleicht kennen Sie das Musikstück bzw. das Musikvideo von Kate Bush aus dem Jahr 1985? Darin geht es um einen Forscher, der eine Maschine erfunden hat, mit der man das Wetter beeinflussen kann. Der Liedtext beginnt mit den Worten "I still dream of Orgonon" (Ich träume immer noch von Orgonon).  Wenn Sie jetzt nach Orgon-Energie und Wilhelm Reich googeln, werden Sie schnell auf das Wort "Pseudowissenschaft" stoßen. Natürlich kann niemand mit einem roten Sonnenschirm Wolken beeinflussen. Aber mein Unterbewusstsein, in dem auch meine Kreativität schlummert, hat beim Blick auf dieses Motiv sofort einen Zusammenhang hergestellt. Wenn ich dieses Foto anschaue, höre ich jetzt eine Melodie, und ich frage mich: Was wird mir mein Unterbewusstsein als nächstes zeigen, wenn ich auf Motivsuche gehe?

All diese Zusammenhänge, die mir beim "Nachdenken" über dieses Motiv in den Sinn kamen, werden Sie nur dann nachvollziehen können, wenn Sie Erfahrungen bzw. Informationen haben, die mit meinen vergleichbar sind. Wenn nicht, ist dieses Motiv für Sie nur ein hübsches Bildchen, von denen es Tausende gibt. Oder Sie gelangen zu völlig anderen Assoziationen, weil Sie sich eher für die Kleidung und den Hut der hölzernen Figur interessieren. Vielleicht haben Sie besondere Erlebnisse mit roten Regenschirmen, vielleicht kennen Sie jemanden, der diese ungewöhnliche Rüschchen-Variante dem klassischen Regenschirmmodell vorzieht?
Kreativität ist etwas ganz Individuelles. Sie wird bei Ihnen anders funktionieren als bei mir, Sie sind ein anderer Mensch. Sie machen andere Bilder - Ihre eigenen und das ist gut so.

Zum Schluss zeige ich Ihnen die Originalversion dieses Fotos:

Verschwörungstheoretiker-Variante

























Normalerweise liebe ich es, die Kondensstreifen von Flugzeugen in meine Fotos einzubauen. Dieses hier hat mich richtig geärgert. Zu warten, bis der Kondensstreifen verschwunden ist, hätte bedeutet, auf die Wolke verzichten zu müssen. Also habe ich mein Manipulationsprogramm angeworfen und dafür gesorgt, dass der hässliche Kratzer aus meinem schönen, grafisch wirksamen Motiv verschwindet. Erlaubt oder verboten? 😉

Sooviel Text für ein Foto...na ich sag´s immer so..: "Ich mach einfach Fotos!" fertsch!, diesen Satz habe ich neulich gelesen und geschmunzelt. Ja, ich auch. Jetzt weiß ich aber warum ich fotografiere. Ich weiß etwas besser, wie es genau funktioniert. Und damit meine ich nicht etwa

Lumix FZ1000 | 50 mm |  f4 | 1/4000 s | ISO 125

Solche Informationen stehen am Anfang der fotografischen Entwicklung.
In den Kursen beschäftigen wir uns vorrangig mit den ganz klassischen Themen: Bildgestaltung, Bildaufbau und den Foto-Basics (Blende, Belichtungszeit, ISO-Wert). Wer mehr wissen will, wer über andere Dinge sprechen will, darf gerne nachfragen.


2 Kommentare:

  1. Sehr schöne Schilderung der fotografischen Aufarbeitung! Seit ich "Cloudbusting" las habe ich einen Ohrwurm. Da ich diesen Song bislang mit nichts anderem assoziierte wird das jetzt Dein herrliches Foto sein. Großes Lob!

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