Navigation

Dienstag, 31. Dezember 2013

Augen auf!













Das Hauptinstrument des Fotografen sind seine Augen. So verrückt wie es scheint, versuchen viele Fotografen mit den Augen anderer – vergangener oder gegenwärtiger – Fotografen zu sehen. Diese Fotografen sind blind.

Manuel Alvarez Bravo

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Das Zitat von Manuel Alvarez Bravo beleuchtet ein Extrem der fotografischen Bandbreite: den ästhetisch hochwertigen Einheitsbrei, mit dem wir häufig konfrontiert sind. Schöne, glatte Bilder, gephotoshoppt bis zum Geht-Nicht-Mehr, nach allen Regeln der Kunst gestaltet und technisch perfekt ausgearbeitet. Wer selbst keine Ideen hat, keine Motive sieht, oder nicht weiß, wie er sie umsetzen soll, kann sich jederzeit an den erfolgreichen Publikationen orientieren und versuchen, im gleichen Stil zu fotografieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit solchen "Nachahmer-Motiven" Lob erntet, ist groß.

Das andere Extrem sind die Fotos mit persönlichem Erinnerungswert, die das Erlebte wieder aufleben lassen. 90% der weltweit geknipsten Bilder dienen genau diesem Zweck. Sie sind für Außenstehende nicht immer interessant, aber sollte man deswegen aufhören zu fotografieren? So lange man Freude am Fotografieren hat, und die eigenen Fotos gerne sieht, spielt es keine Rolle, ob andere sie gut finden.

Vor einiger Zeit habe ich Urlaubsbilder gesehen, die nicht besonders spannend waren. Der Fotograf hat eine tolle Kamera und hatte die schönsten Gegenden der Welt bereist. Alle Fotos, egal ob sie in Land X oder Land Y aufgenommen waren, zeigten mehr oder weniger das selbe. Man hätte fast nicht sagen können, wo sie fotografiert worden waren. Nun könnte man folgern: der Fotograf kann nicht fotografieren! Vielleicht ist das so. Was ich aber im Nachhinein sehr spannend fand, ist die Tatsache, dass diese Bilder mehr über den Fotografen aussagten, als über die Länder, die er bereist hatte. Man konnte sehen, was ihn beschäftigt, wie er die Welt wahrnimmt, was ihn begeistert.

Beim Fotografierenlernen bewegt man sich zwischen diesen beiden Extremen. Wer im Hochglanz-Sektor angekommen ist, tut gut daran, mal wieder ganz naiv drauflos zu knipsen. Wer die eigenen Fotos noch nicht inspirierend genug findet, der sollte das Zitat von Manuel Alvarez Bravo ignorieren. Versuchen Sie eine Zeitlang, die Welt mit den Augen anderer zu betrachten. Das ist schwieriger, weil es dafür keinen Knopf an der Kamera gibt: Man muss die Fähigkeit entwickeln, sich in den Betrachter hinein zu versetzen. Man muss versuchen zu ergründen, was ein anderer als man selbst an einem Motiv interessant finden könnte.

Wir leben alle in der gleichen Welt, aber jeder sieht etwas anderes. Darum finde ich das Zitat von Robert Bresson ein besonders schönes Leitmotiv - für 2014 oder auch darüber hinaus:

Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre.

1 Kommentar:

  1. Zwischen diesen beiden Polen bewegen wir uns ständig, solange wir uns weiterentwickeln. Fremdes adaptieren und ihm dann den eigenen Stempel aufdrücken. Habe neulich den schönen Satz gelesen, daß ein guter Pädagoge einem zeige, wohin man blicken soll, aber nicht sage, was es dort zu sehen gibt. Kann einem auch beim Fotografieren weiterhelfen.
    Vielen Dank für den prima Blog.
    Marius Luther

    AntwortenLöschen

Bitte nach oben scrollen, um vorherige Kommentare zu lesen.

Neue Kommentare werden moderiert, um Spam und Werbung zu vermeiden. Deshalb kann es ein paar Stunden dauern, bis der Beitrag veröffentlicht wird. Vielen Dank für Ihr/Dein Verständnis.