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Mittwoch, 1. Juli 2015

Fotografieren heute

Wer im Newsletterverteiler ist oder mir auf Facebook folgt, hat die Empörung über das Thema längst mitbekommen. Inzwischen ist die Debatte um die Panoramafreiheit auch in allen Medien, von ARD bis ZDF, von Abendzeitung über Focus und Spiegel bis Zeit. Die Petition auf change.org hatte innerhalb von sieben Tagen rund 50.000 Unterzeichner, gestern und heute sind die Unterschriften nahezu explodiert (aktuell über 130.000).

Es ist davon auszugehen, dass kein Gesetz kommt, das reinen Amateurfotografen das "Selfie vor Gebäuden" verbietet. Man wird weiterhin alles fotografieren und als Amateur auch das meiste davon ins Netz stellen dürfen. Der wirkliche Skandal ist ein ganz anderer, und inzwischen wird er auch in den Medien benannt:

Kommt es zu der ins Auge gefassten Änderung der Panoramafreiheit, dann sagt der Fotografenverband Freelens nicht weniger als das Ende der professionellen Fotografie im öffentlichen Raum voraus. „Es sei ein unmögliches Unterfangen, wenn sich ein professioneller Fotograf für jede Abbildungen von Denkmalen, Kunstwerken und Häusern eine Lizenz des Architekten oder des Bildhauers einholen müsse.“ Ähnlich sieht dies die deutsche Sparte der Wikipedia. Hier gründete sich bereits die „Initiative für die Panoramafreiheit“. (Prophoto Online)

Was die wenigsten wissen: Schon jetzt gibt es erhebliche Einschränkungen für professionelle Fotografen und Semiprofis, die sich etwas dazuverdienen wollen. Wer beispielsweise mit einem Fotomodell auf dem Viktualienmarkt ein Fotoshooting machen möchte, benötigt eine Erlaubnis der Stadt München. Man hätte doch gedacht, dass Viktualienmarkt Teil des "öffentlichen Raums" sei. Das ist nur eines von vielen Beispielen. Konkret bedeutet das für Profis: keine fremden Leute ohne deren Einverständnis fotografieren, und vorher auch noch genau recherchieren, auf wessen Gelände man gerade unterwegs ist. Fotoerlaubnis beantragen und eine Veröffentlichungsgenehmigung einholen, meist unter Vorlage der Bilder. Beides ist fast immer kostenpflichtig und manchmal gemessen am Unterfangen schlichtweg überteuert.


Diesen Aufwand muss man ohnehin auf sich nehmen, wenn man ein Shooting plant, aber wenn es darauf hinausläuft, dass man das für jeden banalen Fotospaziergang machen muss, wird es unzumutbar - kompliziert, zeitraubend und teuer. Nicht zu bewältigen für Selbständige, die ohnehin zusehen müssen, wie sie ihr  monatliches Einkommen zusammenbekommen. Wenn die Gesetzesänderung dahin geht, dass Amateure weiter fotografieren und veröffentlichen dürfen, Profis aber nicht, wird die Welt auf den Kopf gestellt.

Mein geschätzter Kollege Johannes Mairhofer hat gestern die Konsequenzen gezogen. Nicht wegen der Panoramafreiheit, sondern aus den in Fotografenkreisen weithin bekannten Gründen:
Mit der Fotografie kann man nicht genug Geld verdienen.

Weil Fotografen auch noch mit lizenzpflichtigen Dreh- und Reproduktionsgenehmigungen konfrontiert sind, oder ein teures Studio für ihre Shootings brauchen, ist damit zu rechnen, dass demnächst noch mehr von ihnen frustriert aufgeben oder wütend hinschmeißen werden. Reaktion zwei ist eher meine.

Man kann diese Entwicklung natürlich willkommen heißen:
Früher war nur der ein "Fotograf", der eine Ausbildung gemacht hatte. In den wilden Anfangstagen der Digitalfotografie wurden alle zu "Fotografen", jeder zog los, um sich ein Taschengeld zu verdienen und die Profis bekamen irrsinnig viel Konkurrenz von Amateuren, die Grenze ist mittlerweile völlig verwischt. Wirklich leben kann kaum jemand von seinen Bildern. Jetzt werden nur die übrig bleiben, die bereit sind, alle juristischen Hürden zu nehmen, noch mehr Zeit dem organisatorischen Drumherum zu opfern und hoffentlich Kunden haben, die bereit sind, diesen immensen Aufwand zu bezahlen.

Worum ging es eigentlich noch? Um Fotografie, um Kreativität?
Johannes macht es genau richtig, darum zitiere ich ihn hier gerne:

"Und ich werde auch weiterhin fotografieren, nur nicht mehr um damit Geld zu verdienen, sondern wieder so wie es damals angefangen hat: Als Hobby."

Damit hat man am wenigsten Probleme, aber die Grauzone bleibt.
Zurück zur Panoramafreiheit: Auch wenn in der schnell gestrickten Petition Fehler sind (Es handelt sich derzeit nicht um einen Gesetzentwurf - sondern einen Bericht), "ist der Protest jetzt wichtig – wir müssen eine klare Position beziehen, denn im September diesen Jahres wird Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, einen Entwurf für ein modernisiertes europäisches Urheberrecht vorlegen." (Prophoto Online).

Aus Protest verzichte ich in diesem Beitrag auf ein Illustrationsfoto, das diesen Artikel hübscher machen würde.

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