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Dienstag, 1. Dezember 2015

Das digitale Vermächtnis

Eigentlich fühle ich mich noch ganz jung, aber wenn ich meine Bildarchive durchblättere, stelle ich immer wieder fest: Au weia, diese Bilder sind ja schon zehn, zwanzig, dreißig ... Jahre alt! Meine ältesten digitalen Aufnahmen haben mittlerweile auch schon etwa fünfzehn Jahre auf dem Buckel. Von den vielen Reisen, die ich davor unternommen hatte, gibt es ausschließlich Dias. Ich habe sie nie gezählt, doch ich erinnere mich gut an Weihnachten 2002: Ein guter Freund hatte mir seinen Nikon-Diascanner geliehen. Mein damaliger Weihnachtsurlaub ging dafür drauf, etwa alle dreißig Minuten fünfzig weitere Dias ins Magazin nachzufüllen. Mit Pausen und Nachtruhe hat es trotzdem fast drei Wochen gedauert, bis die wichtigsten Motive eingescannt waren.
















Weil ich schon von Kindesbeinen an fotografiert habe, sind damals nicht alle Dias digitalisiert worden, von den Negativen ganz zu schweigen. Und dann gibt es auch noch Fotos von Freunden, die ich nur als Fotoabzüge habe. Früher habe ich alles noch in schöne Fotoalben eingeklebt, aber es wurden im Lauf der Jahre einfach zu viele. Zwischen 2001 und 2011 bin ich insgesamt viermal umgezogen. Diese Odyssee sollte eigentlich zu Ende sein, aber wie gesagt, ich bin noch relativ jung. Wer weiß, wohin es mich in diesem Leben noch verschlägt. Vielleicht wandere ich eines Tages aus und schlage meine Zelte im Ausland auf? Dann möchte ich bitte keine x Umzugskartons mit Dias und Fotos in einem Container verschiffen, und mir keine große Wohnung oder Lagerfläche leisten müssen, wo ich all den Kram unterstellen kann.

Ein paar Festplatten transportieren sich leichter und "die Cloud" gäbe es auch noch. Darum hätte ich bitteschön gerne ALLES digital. Am liebsten sofort, ohne Mühen und mit minimalem Zeit- und Kostenaufwand.
Kein Wunder also, dass mich der heutige Tweet des Morgenmagazins sofort dazu brachte, mich diesem leidigen Thema erneut zu widmen. Kalte dunkle Jahreszeit - ideal, um die analogen Bestände zu digitalisieren. Was bin ich froh, dass ich meine alten Cassetten und Schallplatten schon längst über Bord geworfen habe, sonst gäbe es noch eine Baustelle mehr. Musik kann ich mir herunterladen, aber mit den eigenen Fotoerinnerungen geht das nicht.

Sri Lanka 2003 - Dia gescannt und digital aufbereitet



Vor 13 Jahren hatte ich meine Dias mit 1350 dpi gescannt - jede Datei 3 hat Megabyte. Für heutige Verhältnisse ist das absolut lachhaft. Diese Bilder kann ich online gerade noch verwenden, aber nicht drucken lassen. Nötig ist das bei mir nicht, denn bei mir hat die Digitalisierung zwei Hauptgründe:

1. Schnelle visuelle Verfügbarkeit der Bildinhalte
In einem gut strukturierten digitalen Archiv finde ich meine Aufnahmen schneller als in einem ebenso gut strukturierten analogen Archiv - ein Erfahrungswert.

2. Reduktion der benötigten Lagerfläche, Transportierbarkeit
siehe oben

Wie stelle ich es also am besten an? 

Möglichkeit 1: Einen professionellen Scan-Service beauftragen
+ beste Qualität
+ am wenigsten Arbeit
+ geringster Zeitaufwand
-  hohe Kosten

Möglichkeit 2: Selbermachen
Dias werden entweder mit einem Diaduplikator digital abfotografiert (einzeln!) oder man verwendet einen halbwegs guten Scanner, der dann auch Negative und Fotos digitalisieren kann.

Wie lange ein Scanner braucht, selbst wenn er die Dias automatisch einscannt, habe ich 2002 erlebt. Alle Dias einzeln abfotografieren oder auf einen Scanner legen? Das erscheint mir wie eine Sisyphosaufgabe! 

Und so stellt sich mir eine ganz andere entscheidende Frage:
Lohnt sich das?

Wie viel sind mir meine analogen Bilder tatsächlich wert?

Natürlich kann man sich auf die allerbesten Bilder beschränken, dann wird es mit einem Dienstleister preislich überschaubar. Trotzdem bleibt es eine halbe Sache. Und so ruhen meine alten Archive weiterhin analog im Schrank, bis sie eines Tages von meinen Erben in den Sperrmüll gekippt werden. Vielleicht kauft jemand die Kisten für 5 Silbermünzen auf einem Flohmarkt und kümmert sich um den Kram? Ich schätze, das wird mir egal sein, wenn ich auf Wolke 7 sitze. Für mich geht es ums Hier und Jetzt, aber wie ist das bei anderen Hobbyfotografen - bei all jenen, die heute vielleicht um die Siebzig sind, und deren analoge Archive noch weiter in die Vergangenheit zurück reichen als meine? Schon mal drüber nachgedacht, wer sich um den Bilderschatz kümmern wird?

Foto aus dem digitalen Nachlass von Violetta Stefanovic


Ich möchte meine Bilder in digitaler Form haben, also werde ich die Sache selbst angehen. Jeden Tag eine Stunde digitalisieren oder einmal in der Woche einen halben Tag dafür spendieren macht aus dem Riesenberg eine Aufgabe, die überschaubarer wird.

Wenn ich die Kommentare der Menschen lese, die Scanner rezensieren, wird mir klar: spätestens die Enkel werden die analogen Erinnerungen ihrer Großeltern digitalisieren. In unserer Familie ist auch das bereits geschehen, denn es gab nur drei Fotoalben, und jeder in der Familie wollte eine Kopie davon haben. In einer weit verzweigten Verwandtschaft hat das Digitale große Vorteile.

Analog hält länger vs. digitaler Blackout
Die Frage, ob ein digitales Archiv genauso haltbar sein wird, wie ein analoges, kann ich nicht endgültig beantworten. Klar ist, dass man sich auch um externe Festplatten regelmäßig kümmern muss. Man sollte die Daten regelmäßig umkopieren und sicherstellen, dass alles noch lesbar ist.

Der Vorteil, den ich in dieser Arbeit sehe: Wenn man sich die Bilder immer wieder anschaut, bleiben die Erinnerungen wach und das Gedächtnis hat mehr Anknüpfungspunkte. Aus der Gehirnforschung ist bekannt, dass nicht benutzte Leitungsbahnen im Lauf der Zeit verschwinden. Aktiv genutzte Bildarchive könnten also dazu beitragen, dass weniger Gedächtnislücken entstehen, vielleicht beugt dies sogar der gefürchteten Demenz vor? Vom historischen Wert mancher Aufnahmen ganz zu schweigen. Unsere Welt verändert sich sehr schnell ...

Wenn ich in die Zukunft schaue, ahne ich, dass sich alsbald ein Internetriese finden wird, der das digitale Bildgedächtnis der Menschheit aufbewahrt: Alles in die Cloud und von überall drauf zugreifen. Damit würden/werden wir natürlich auch zum vollkommen gläsernen Menschen.

Vielleicht ist die oben erwähnte Wolke 7 eines Tages die Cloud, in der meine eigenen Bilder abgespeichert sind? Wer weiß, welche Entwicklungen uns die Computerwelt noch so beschert.😉

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