Der technologische Umbruch, der sich in der Fotografie Ende der 90er Jahre abzeichnete, führte auch dazu, dass das analoge Fotowissen nicht mehr so gefragt war. Im vorhergehenden Teil der Interviewserie hat Günter Spitzing bereits erzählt, wie das Aufkommen der Digitalfotografie seine Tätigkeit als Autor beeinflusste. Mich hat deshalb besonders interessiert, wie er als damals knapp Siebzigjähriger mit diesem Umbruch zurechtkam. Einfach in Rente gehen? Weit gefehlt!
Heute feiert Günter Spitzing 85. seinen Geburtstag. Wer ihm gratulieren möchte, darf mir schreiben, ich leite die Grüße gerne weiter. Sie finden ihn auch bei XING oder gelangen über seine Homepage direkt zu ihm.
Mittlerweile fotografieren Sie digital und benutzen Photoshop (Respekt, Herr
Spitzing!) Haben Sie damals eine solche Entwicklung der Fotografie erwartet oder
geahnt?
GS: Ich hatte an eine Weiterentwicklung von Kameras gedacht, nicht aber an
einen völligen Systemwechsel.
Was sind für Sie die Segnungen der heutigen Digitalfotografie – und wo
sehen Sie die größten Probleme?
GS: Digitale Fotos stehen sofort
nach der Aufnahme zu Verfügung, sind einfach weiterzugeben und gut zu drucken. Ich
habe ja selbst früher in konventioneller Weise Farbvergrößerungen hergestellt
und auch Kurse darüber gegeben. Farbvergrößerungen erforderten damals das
komplizierte Ansetzen von Bädern, die in kurzer Zeit aufgebraucht werden
mussten, aber auch die Einhaltung relativ genauer Temperaturen. Ich habe damals
meine Dunkelkammer total auf 26, bzw. 28 Grad hochgeheizt, um mir das einfacher
zu machen. Dass man heute auch ein einzelnes Bild mit Photoshop bearbeiten und
ausdrucken kann, ist ein unglaublich großer Vorteil.
Als Nachteil sehe ich schon
an, das die einfache Möglichkeit Bilder zu machen und mit ihnen umzugehen, doch
dazu verführt in die Knipserei abzugleiten und auf Bildgestaltung zu
verzichten. Ich habe das Gefühl man nimmt die Fotografie, ja generell das Bild,
heute nicht mehr so ernst.
Ein besonderes Kapitel ist
der Selfie-Wahnsinn. Statt für seine interessante Umwelt, interessiert man sich
nur für sich selbst. Das führt absolut in die falsche Richtung. Übrigens - ich
denke engagiert Fotografierenden geht es ähnlich wie mir: Ich schätze es nicht
so sehr fotografiert zu werden. Das ist
auch konsequent, denn Fotografie soll dazu dienen uns das Fremde näher zu
bringen.