Navigation

Dienstag, 17. Mai 2016

Halteverbot



Als ich vor Jahren einen Workshop bei Harald Mante besuchte, fotografierte ich dieses Halteverbotsschild. Es ist klar, warum der Fotopapst dieses Motiv selbst sofort ansteuerte, und es aus allen möglichen Perspektiven aufnahm: Die Farben des Schilds wiederholen sich im Hintergrund und man kann mit den grafischen Elementen (Kreis, Rechtecke, Linien, Pfeile, Viertelkreise) spielen. Ein Motiv für Formalisten, langweilig und uninteressant, hätte ein anderer Fotolehrer gesagt, bei dem ich Anfang der 90er Jahre Kurse in künstlerischer Fotografie besuchte. Wer hat Recht? Ich würde sagen beide.


Bei diesem Schild hatte ich Probleme mit den grünen Blättern, der Perspektive und den Linien. Es war nicht "mein Motiv", sonst hätte ich mir vielleicht etwas mehr Zeit genommen, um den optimalen Aufnahmestandort, die richtige Brennweite und die beste Perspektive zu finden. Auch wenn dieses Bild nicht besonders wichtig für mich ist, sind mir in den darauffolgenden Jahren immer wieder Halteverbotszeichen ins Auge gesprungen. Aus der Perspektive eines Autofahrers gibt es viel zu viele davon, fotografisch interessant finde ich nur ganz wenige. In meinem Hinterkopf ist ein ganz bestimmtes Schema entstanden, bei dem ich reagiere:

Immer wenn das Schild auf oder vor einem gleichmäßig ruhigen und gleichzeitig farblich interessanten Hintergrund steht, ist es für mich fotografierenswert.

Das nenne ich die "Motivklingel" bei Halteverbotsschildern. Als Motivklingel bezeichnet man in Fotofachkreisen - manchmal scherzhaft - eine Vorrichtung in der Kamera, die den unkreativen Fotohobbyisten auf ein interessantes Motiv aufmerksam macht. So etwas gibt es natürlich nicht (noch nicht), jedenfalls nicht in Kameras. So etwas gibt es aber bei jedem erfahrenen Fotografen. Jeder reagiert auf ganz bestimmte Reize: Farben, Formen, Gesichter, ... Im Prinzip kann alles den Fotografierreflex auslösen, je nachdem, wofür man sich interessiert. Solche Vorlieben können über Jahre oder Jahrzehnte gleich bleiben, oder sie verändern sich im Verlauf des Fotografenlebens. Manchmal verliert man vorübergehend das Interesse an bestimmten Motiven, dann kehren sie auf einmal zurück.

In meinem Fotoprojekte-Blog greife ich solche Themen immer wieder auf. Manchmal vergehen Monate oder Jahre, bis wieder ein passendes Bild vorhanden ist. Erst wann man mehrere Motive eines Sammelthemas nebeneinander legt, entfalten sie ihre Wirkung. Das habe ich von Harald Mante gelernt, und sicher noch eine Menge mehr.

Die Ansicht "Snapshot" gefällt mir am besten,
weil sie an Polaroids erinnert. Mit einem Suchbegriff
kann man die Bilder im Fotoprojekte-Blog zu einem Thema filtern.















Wer bestimmte Dinge auf eine ganz bestimmte Art fotografiert, entwickelt daraus im Lauf der Zeit seine ganz persönliche "fotografische Handschrift". Wenn alle weitgehend dasselbe machen, ist diese persönliche Handschrift kaum erkennbar. Fotografieren im Stil eines Harald Mante ist nicht neu, aber immer ein gutes Fotoprojekt zum Üben.
Im Wirrwarr des Archivs entdeckt man seine ganz eigenen Muster nicht sofort, sie sind oft subtiler. Um Ihrer eigenen fotografischen Handschrift auf die Spur zu kommen, blättern Sie Ihr Archiv in Ruhe durch. Achten Sie auf
  • Motive, die häufig wiederkehren
  • Lieblingsfarben
  • eigenwillige (?) Gewohnheiten in Sachen Gestaltung, Belichtung oder Nachbearbeitung
Wenn Bilder anders aussehen, als der Mainstream, muss nicht alles automatisch ein Fehler sein. Es ist vielleicht nur Ihre ganz persönliche, eigenwillige Interpretation.😉

2 Kommentare:

  1. Hach, du sprichst mir aus der Seele!
    Mantes serielle Fotografie kombiniert mit seiner sehr formellen Sicht auf die Motive ist keine Paradigma sondern das (tägliche) Trainingslager des ambitionierten Fotografens.
    Trainingslager für die dann weitergehenden Bilder & Motive (ergo Geschichten). Die bedingen zwar nicht der korrekten Form und Komposition (und man soll ja auch regeln brechen) - schaden da aber auch nicht. Zudem trainiert man sein Auge bei einer (seriellen) Fotoaufgabe.

    Ach ja - es gibt übrigens schon eine funktionierende Motivklingel: http://www.andrae.org/podcast/

    lg & bis bald! oli

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank, auch für den Link. Ich versuche gerade hochzurechnen, wie lange ein geschriebener Text wäre, der in einem 25minütigen Podcast vorgetragen wird. Vielleicht sollte ich auch mal reden statt schreiben? :O

    AntwortenLöschen

Bitte nach oben scrollen, um vorherige Kommentare zu lesen.

Neue Kommentare werden moderiert, um Spam und Werbung zu vermeiden. Deshalb kann es ein paar Stunden dauern, bis der Beitrag veröffentlicht wird. Vielen Dank für Ihr/Dein Verständnis.