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Dienstag, 30. Januar 2018

Wo ist Keegan?


Im Oktober 2016 hatte ich über Keegan, den Fotocoach berichtet. Der hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Das französische Startup-Unternehmen Regaind, das die Bildanalyse-Software entwickelt hatte, wurde letztes Jahr von Apple gekauft. Über weitere Pläne, was aus dem bemerkenswerten Fotocoach werden soll, gibt es derzeit keine Informationen. Es wird darüber gemutmaßt, dass künftige iPhones dem Fotografen dabei helfen werden, aus einer Reihe von Bildern die jeweils besten auszusuchen. (Golem, 17.9.17)

Automatische Bildanalyse
Solch skurrile Fehler passieren der KI heute kaum noch
Für "Knipser", die sich mit dem Fotografieren nicht intensiv beschäftigen wollen, ist so ein Auswahl-Assistent wahrscheinlich eine tolle Sache. Vorteile sehe ich auch für die Leute, die sich all die Handyfotos anschauen müssen. Vielleicht werden die Knipsbilder besser, wenn eine virtuelle Intelligenz dabei hilft, den Ausschuss zu verringern. Es erinnert mich ein bisschen an die analogen Zeiten, in denen im Großlabor alle über- oder unterbelichteten Fotos eines Negativstreifens aussortiert wurden. Aber natürlich geht die virtuelle Intelligenz viel weiter: Sie analysiert nicht nur die technischen Parameter, sondern auch den Bildinhalt.



Mit an Bord ist eine Gesichtserkennungsfunktion, und was das bedeutet, mag ich mir gar nicht ausdenken. Natürlich erfolgt kein automatischer Abgleich aller privaten Spaßbilder mit den Datenbanken irgendwelcher Ermittlungsbehörden. Wir haben nichts zu verbergen und wir können davon ausgehen, dass die Hersteller all dieser technischen Spielereien stets nur den Kundennutzen im Auge haben... Ach, der Zug ist längst abgefahren.

Wen lassen Sie für sich denken?
Wenn wir die Bildanalyse eines Experten oder einer künstlichen Intelligenz nutzen, müssen wir uns deren Urteil nicht automatisch unterordnen. Ich finde es wichtig, das eigene Urteilsvermögen zu stärken, egal ob wir es mit einem Menschen oder einer Maschine zu tun haben. Ja, fangen Sie bitte an, in diesen Kategorien zu denken. Das ist keine Science Fiction mehr.

Die künstlichen Intelligenzen lernen gerade, wie Menschen denken. Als alter Fan von Raumschiff Enterprise muss ich dabei an den Androiden Data denken. Der hatte übermenschliche Fähigkeiten, aber auch die größte Mühe mit Ironie, dem menschlichen Humor und mit der Liebe. Wie lange wird es wohl dauern, bis Keegan&Co. in der Lage sind, subtilere Analysen vorzunehmen? Bei Keegan gab es die Möglichkeit, das zuvor gefällte Urteil zu bewerten. Wenn es sich um einen selbstlernenden Algorithmus handelt, müsste er etwaiges Feedback bei künftigen Bewertungen berücksichtigen, und davon sollten wir Gebrauch machen.





Keegan gab in der Testphase ziemlich ausgefeilte Rückmeldungen zu Schärfe, Belichtung, Hintergrund, Bildaufbau, Farben, Lichtsituation, Perspektive... Ob es diese Funktion irgendwann auch bei Apple wieder geben wird, steht in den Sternen.

Wenn ich ProgrammiererIn wäre, würde ich Keegan nachschauen lassen, wie viele der Bilder, die er für schlecht hält, tatsächlich gelöscht werden. 





Die Zukunft hat begonnen
Ich war wirklich zwiegespalten, als ich Keegan kennenlernte. In meinen Kursen waren und sind Bildbesprechungen ein wichtiges Element, und dafür nehme ich mir immer viel Zeit. Und nun kommt so eine virtuelle Intelligenz daher, die meinen Job kostenlos und in Sekundenschnelle erledigt? Kann ich jetzt einpacken? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich könnte umschulen auf Frisörin, Kosmetikerin oder in die Altenpflege wechseln, denn solche Jobs gelten aktuell als langfristig krisensicher. Alles andere können die virtuellen Kollegen mittelfristig übernehmen, sogar die künstlerischen Berufe.

Mit dem sogenannten Turing-Test formulierte Alan Turing (Wikipedia) 1950 eine Idee, wie man feststellen könnte, ob ein Computer, also eine Maschine, ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen hätte. Dieser Test wurde 2017 gleich zweimal bestanden:

Im Juli 2017 stellten Forscher der Rutgers Universität eine KI vor, die künstlerische Gemälde produziert. Die KI wurde trainiert mit vielen Gemälden berühmter Maler verschiedener Epochen. In einem Blindtest wurden die von der KI erstellten Gemälde mit von Künstlern für die Art Basel erstellten Gemälden vermischt und 18 Experten in einem Blindtest zur Beurteilung vorgelegt. Die Jury beurteilte die Gemälde von der KI insgesamt besser als die von den Künstlern für die Art Basel erstellten Gemälde. 

Im Sommer 2017 haben Forscher der Universität von Chicago eine KI vorgestellt, die eigenständig Rezensionen verfassen kann. Diese maschinell erzeugten Rezensionen wurden zusammen mit von Menschen verfassten Rezensionen 600 Versuchspersonen zur Beurteilung vorgelegt. Diese beurteilten die von der KI erstellten Rezensionen im Blindtest durchschnittlich als ähnlich nützlich wie die von Menschen verfassten Rezensionen. In dieser Versuchsanordnung wird der Turing-Test somit bestanden, da für die Menschen nicht mehr erkennbar war, welche Rezensionen maschinell erstellt waren und welche von Menschen.
(Wikipedia)

Horch mal, wer da spricht
Mit diesen neuen Entwicklungen wird sich unser Leben in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren von Grund auf verändern. Siri, Alexa und Cortana sprechen schon mit uns. Wenn Keegan zurückkommt, können wir ihn vielleicht fragen, wie wir die Kamera einstellen sollen. Die KI ist ja nicht blöd: Es hat sich garantiert schon herumgesprochen, dass wir Menschen nicht bevormundet werden wollen. Modus M statt Vollautomatik, Keegan oder Keegane sprechen als virtueller Fototrainer zu uns, und gleich nach der Belichtung liefern sie die Bildanalyse? Ausprobieren würde ich das auf jeden Fall.
Sie halten das alles für Unsinn, für zu weit hergeholt? Ich wäre nicht unglücklich, wenn ich mich irre. Es gab schon viele Fehlprognosen: 
  • „Dieses Telefon hat zu viele Schwächen, als dass man es ernsthaft für die Kommunikation in Erwägung ziehen kann“. Internes Memo von Western Union (1876)
  • "Es gibt keinen Grund, warum jeder einen Computer zu Hause haben sollte” Ken Olsen, Gründer von Digital Equipment Corp. (1977)
  • "Das Abonnement-Modell für den Kauf von Musik ist gescheitert” Steve Jobs (2003)
  • „Das ist das teuerste Telefon der Welt. Und es spricht Business-Nutzer überhaupt nicht an, weil es keine Tastatur hat. Damit ist es keine besonders gute Mail-Maschine“. Microsoft-Chef Steve Ballmer (2007)
Das Internet und die digitalen Medien haben uns schon so sehr im Griff, dass es auch Gegenbewegungen gibt. "Immer mehr Menschen schalten nicht nur häufiger ihr Smartphone aus, sie verabschieden sich vom stetigen Strom des Negativen, Angstmachenden und Skandalösen. (...) Der Achtsamkeits-Trend ist auch Teil der Gegenbewegung zur gesellschaftlichen Hysterie, Teil eines Umgangs miteinander, der wieder auf Respekt, Zuhören, Vereinbarung setzt. Neue Höflichkeit – New Civility – könnte man das nennen", sagt Matthias Horx (heise.de), der allerdings auch einmal dachte, dass sich das Internet und die sozialen Medien nicht so massiv durchsetzen würden. Wir haben unsere Zukunft selbst in der Hand, zumindest ein Stück weit.

Keegan ist erst mal weg, wie geht es weiter?
Wer schnelle Ergebnisse sehen will, kann weiterhin die Bildanalyse von Everypixel nutzen. Sie gibt kein detailliertes Feedback zu den Bildern, aber sie macht eine prozentuale Angabe darüber, ob ein Motiv agenturtauglich wäre. Hier kommen unkonventionelle Fotomotive etwas besser an als bei Keegan. Nebenbei kann man sehr gut beobachten, wie genau Algorithmen Bildinhalte erkennen und als Schlagwörter ausgeben.


Die Seite gibt es nur auf Englisch, aber die Begriffe können mit einem Mausklick in den Zwischenspeicher kopiert werden. Von dort braucht man sie nur in das Feld von Google-Translate einfügen, schon hat man die Verschlagwortung in der gewünschten oder in beiden Sprachen. Übersetzen war mein erster gelernter Beruf. Das lasse ich heute auch von Google erledigen. Was mich aber immer noch diebisch freut, sind die grauenhaften Fehler, die Translate macht. Ich schreibe eben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, und solange Google Translate damit nicht klarkommt, weiß ich, dass es mein Alleinstellungsmerkmal ist. Ich bin zu beschäftigt und auch zu faul, meine eigenen Texte auch noch (korrekt) ins Englische zu übersetzen. Mehr Leser bekäme ich bestimmt, wenn ich das mächte. ;-)
Und noch mehr Leser bekäme ich, wenn ich nicht so viel schrübe. Aber weil es mir Spaß macht, mache ich es so und nicht anders. Dass Sie bis hierher gelesen haben, freut mich deshalb umso mehr. Was machen wir als nächstes? Irgendwas Kreatives. :-)

==========> Toller Tipp von Sabine: DeepL kann richtig gut übersetzen, und ich habe es ausprobiert - der Hammer!

Wenn Sie sich für das Thema interessieren, lesen Sie weiter im betrachtenswert Blog, einem meiner Paralleluniversen. 😊

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