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Donnerstag, 29. Juli 2021

Zwei Minuten Distel

Heute war ich später dran und hatte meine große Kamera nicht dabei. Als ich diese gerade aufblühende Distel in der Morgensonne entdeckte, hatte ich sofort Bilder im Kopf, wie meine Fotos davon aussehen sollten. Der zweite Gedanke: Lässt sich das mit dem Smartphone umsetzen? Soll ich einfach dran vorbeigehen, oder trotzdem schauen, was geht?

Mir fiel sofort der Blütenkranz auf, der nur um die Mitte des stachligen Pflanzenkörpers verläuft. Morgen oder übermorgen sieht die Pflanze schon wieder anders aus, und wer weiß, wie dann das Wetter - sprich die Beleuchtung -  wird. Es gibt also nur diesen Moment, um das Motiv so einzufangen.

 

Gestaltungsfragen

Mit dem quadratischen Format lässt sich die Besonderheit der Blüten betonen. Durch einen kurzen Abstand zum Motiv entsteht die selektive Schärfe, dann erscheint der Hintergrund auch bei meinem Smartphone leicht diffus, und das Hauptmotiv hebt sich gut davor ab. Die Beleuchtung auf der Distel verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Wichtig ist auch, dass das hellere Hauptmotiv vor einem dunkleren Bereich steht, in diesem Fall ist das der schattige Bereich der Wiese. Fotografiert man hier aus einer tieferen Perspektive, wird der hellere Wiesenbereich zum Störenfried. Ob Smartphone oder große Kamera: Der Fokuspunkt muss stimmen.

Kampf mit der Tücke des Objekts

Bei meinem Smartphone verrutscht der Schärfepunkt bei Nahaufnahmen gerne an die falsche Stelle, vor allem wenn sich das Motiv nicht in der Bildmitte befindet. Da scheint die Drittelregel in der Kameraprogrammierung zu fehlen. 😏 Ich tippe auf den Monitor, die Kamera stellt scharf - beim Auslösen fokussiert sie trotzdem neu, meistens in die Mitte, und somit hinter das Motiv. Es gibt zwar eine AF-/AE-Sperre (Fokuspunkt und Belichtung werden beim Antippen des Monitors fixiert), aber diese Funktion ist nur bedingt hilfreich. Wenn ich die Belichtungskorrektur einsetze, funktioniert diese Sperre nicht mehr. Halte ich den Mindest-Aufnahmeabstand zum Motiv nicht ein, signalisiert mir die Anzeige zwar, dass sie sich den gewünschten Fokuspunkt gemerkt hat, aber das Foto wird trotzdem unscharf. Die Bildschärfe müsste ich also nach jeder Aufnahme in der Bildwiedergabe kontrollieren, und dazu ins Motiv hineinzoomen, weil der kleine Smartphone-Monitor trügerisch ist. Mittlerweile kenne ich diese Tücken. Meine Zeitspar-Strategie besteht darin, dass ich vor Ort mehrere Aufnahmen mache, und die Fehlschüsse lösche.

Motiv-Variationen

In einem Foto will ich auch etwas mehr vom Umfeld der Distel zeigen, also Querformat. Wenn ich mir ein Motiv "erarbeite", fotografiere ich fast immer mehrere Varianten, bei denen ich das Hauptmotiv einmal links und einmal rechts im Bild positioniere, vom Quer- ins Hochformat wechsle, oder beides ausprobiere.

Aus der Froschperspektive gegen den Himmel fotografieren bedeutet automatisch, dass sich das Motiv wie eine Silhouette abhebt, und fast immer zu dunkel wird. Die Belichtungskorrektur nach Plus oder eine Spotmessung machen die Blüte heller, aber dabei wird auch der blaue Himmel entfärbt. Die HDR-Funktion wäre eine mögliche Alternative, oder die Verwendung eines dosierten Aufhellblitzes. Das Smartphone hat eine Blitz, aber mit der feinen Dosierung ist es nicht so weit her. Zeit zum Herumprobieren habe ich nicht, also: Was tun? Trotzdem fotografieren, und hinterher ausprobieren, ob man in der Bildbearbeitung noch etwas tunen kann - zum Beispiel mit der Tiefen-Lichter-Korrektur, oder lokalen Anpassungen mit dem Korrekturpinsel.

Das Handy-JPEG verkraftet solche extremen Nachbearbeitungen kaum, es "zerreißt" die Pixel, das Bild "rauscht", wird unscharf und die Farben werden trüb. Für ein kleinformatiges Beispielbild kann man das noch wagen, aber wenn Sie so etwas in höherer Auflösung präsentieren oder drucken wollen, haben Sie keinen Spaß daran. 

Was kann man noch tun, wenn die technischen Mittel der Kamera begrenzt sind? Aus der Not eine Tugend machen, und eine Gegenlichtaufnahme mit gezielter Silhouettenwirkung. Mit einer "richtigen" Kamera hätte ich hier einen Sonnenstern ins Bild bekommen, mit meinem Handy klappt das nur ganz selten. Ausprobieren ja - aber wenn es nicht funktioniert, lieber ohne den hellen Sonnenfleck fotografieren.


Während ich noch nach der perfekten Perspektive für die stachlige Silhouette suchte, kam zufällig eine Schwebfliege ins Bild: Einfach abdrücken, und dem Zufall eine Chance geben. Auch wenn der diffuse einzelne Baum hinter der Distel die Perfektion ein wenig beeinträchtigt: Die Begegnung von "Insekt und Stachelmonster" steht im Vordergrund.


Sie erinnern sich: Ich war spät dran und hatte es ein bisschen eilig. Wie lange hat's gedauert? Die erste Aufnahme meiner Distelbetrachtung entstand um 8:27 Uhr, die letzte hatte ich um 8:29 h im Handykasten. Zwei Minuten, trotz Techniktücken. Das ist okay. 😊 Dass ich immer noch etwas Zeit für die Nachbearbeitung einkalkulieren muss, ist eine andere Sache. Aber das ist bei den Fotos aus einer "richtigen" Kamera nicht viel anders.

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