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Donnerstag, 9. September 2021

FotoGrafisches

Smartphone | 28 mm | f1,9 | 1/470 s | ISO 40
 

Bevor ich Sie mit einem Artikel über Blende und Schärfentiefe peinige, wie wäre es zwischendurch mit etwas Einfachem? Minimalismus - Linien und Licht. Langweilig? Naja, es sind eben Motive, die weniger als tausend Worte benötigen. 😁 Trotzdem kann man damit ganz gut arbeiten. Grafische Motive sehen oft schön aus, sind als Wandschmuck oder als Grußkarte dekorativ, und die Beschäftigung damit trainiert den sogenannten fotografischen Blick

Schritt 1: Motiv entdecken.
Das eiserne Gartentor oben, an dem ich oft vorbeikomme, stand neulich halb offen. Das war der entscheidende Faktor, warum ich es zum ersten Mal fotografierte. Durch die seitliche Perspektive bekommt das Motiv nicht nur einen ruhigen Hintergrund, sondern auch eine höhere Komplexität. Der Rhythmus der dicken und dünnen Metallstäbe verändert sich, weil sie aus dieser Perspektive versetzt zueinander stehen. Dadurch wirkt das Foto interessanter, es hat mehr Tiefe als die frontale Aufnahme eines Zauns, selbst wenn er ungewöhnliche Formen hat. Die Lichtsituation war ebenfalls günstig, weil es trotz Sonnenschein keine harten Schatten oder störende Kontraste gab. Die Wandfarbe im Hintergrund kam durch die indirekte Beleuchtung gut zur Geltung. Monochrome Farben sind generell ein gestalterischer Vorteil.

Schritt 2: Die Linien optimal im Foto arrangieren.
Die dominanten Linien werden an den Bildkanten ausgerichtet, hier sind es die vertikalen Linien, die gerade sein müssen. Bei jeder kleinen Veränderung der Aufnahmeperspektive verschieben sich alle anderen Linien im Bild zueinander, das ist oft Zentimeterarbeit. Der silberne Türgriff sollte etwa im Goldenen Schnitt landen. Fotografiert hatte ich das Motiv im Querformat, das Quadrat war dabei aber schon "im Kopf". Links oben hängt ein Haken an der Wand, den ich versucht habe, hinter dem dicken Pfosten verschwinden zu lassen. Trotzdem habe ich keine Position gefunden, bei der die Gesamtkomposition der Linien anschließend noch gepasst hätte. 

Schritt 3: Bildbearbeitung.
Wenn Sie sich an Kleinigkeiten stören, zu denen vielleicht auch der weiße Farbklecks am dicken Pfosten zählt, dann können Sie solche Elemente später wegretuschieren (Reparaturpinsel oder Klonstempel). Wichtig ist nur, dass Sie solche Details sehen - am besten schon beim Fotografieren. Überlegen Sie sich, wie Sie solche Problemzonen mit gestalterischen Mitteln bewältigen können. Das schärft Ihre Aufmerksamkeit für Details, und das wiederum kommt Ihnen bei anderen Motiven zugute. Weitere Bearbeitungen wie Farbkorrekturen, Helligkeit, Kontrast, der Einsatz einer Vignettierung oder Schärfeverlaufs hängt davon ab, was Ihnen gefällt. Eher zur Pflicht gehört das

Linien gerade richten

Ein Problem, das sich bei der Aufnahme grafischer Motive nicht immer perfekt lösen lässt, sind verzerrte Linien. Meist handelt es sich um tonnenförmige Verzeichnungen, die beim Fotografieren mit einer Weitwinkeloptik unweigerlich entstehen. Die Funktionen Verzerrungskorrektur, Linien (automatisch) geraderichten und Freistellen, um den Bildausschnitt anzupassen, gehören deshalb zu meinen Standardbearbeitungen ("Workflow"). Wenn die Auto-Korrektur nicht funktioniert, wechsle ich zur Korrektur mit den Hilfslinien. Trotzdem gilt auch hier die Devise: Was ich beim Fotografieren schon erledigen kann, muss ich hinterher nicht reparieren.

Licht & Schatten
Ein anderer Tag, ein anderer Zaun - eine andere Lichtsituation. Der Metallzaun rund ums Fußballstadion ist nicht besonders hübsch, es sieht eher nach einem Gefängnis aus. An diesem Tag fiel die Morgensonne so steil und genau im richtigen Winkel auf die Drähte, dass mich das harte grafische Muster "im Vorbeigehen" zu einem Foto aufforderte. Die Aufnahme ist genau so komponiert, wie Sie es hier sehen, aber nachträglich "getuned": Linienkorrektur, Kontrastanpassung und ein Hauch mehr Blau für die Schatten aus dem Regler Farbtemperatur (Weißabgleich).

Smartphone | 28 mm | f1,9 | 1/800 s | ISO 40

Hier das Original zum Vergleich: Die Linien kippen am linken Bildrand leicht nach links, am rechten stark nach rechts. Nach der Auto-Korrektur ist das behoben. Je nach Brennweite muss man eventuell noch die Objektivverzerrung nachkorrigieren.

Klick aufs Bild für größere Ansicht

Ich habe das Motiv mehrmals fotografiert, auch im Hochformat. Dabei waren die Verzerrungen nicht ganz so stark, aber im Querformat konnte ich mehr Zaunfläche im Foto unterbringen.  Die neutrale Farbe des Originals mit den helleren Schattenbereichen verlangt nicht nach einer Kontrast- oder Farbkorrektur, das ist die individuelle Note, die Sie Ihren Motiven optional mitgeben können.

 

Smartphone
28 mm | f1,9 | 1/1200 s | ISO 40

Weil alle Bilder mit dem Smartphone aufgenommen sind, musste ich mir um die Einstellung der Blende keine Gedanken machen. Wenn Sie die Aufnahmedaten vergleichen sehen Sie, dass sich von Motiv zu Motiv nur die Belichtungszeit verändert, weil es mal heller und mal dunkler war. Mein Handy lässt Blende und ISO-Wert im Automatikbetrieb meist unangetastet.

Mit einer anderen Kamera hätte ich in diesen Situationen noch weitere Überlegungen angestellt. Deswegen gibt's nächstes Mal den Blende/Schärfentiefe-Artikel. Heute nur so viel: Sie müssen möglichst stark abblenden, also die Blende schließen, damit möglichst viel vom nach hinten laufenden Zaun im Foto scharf abgebildet wird. Mit einer Kamera mit großem Sensor bekommen Sie ansonsten bei offener Blende so etwas:

Lumix FZ1000 ii | 400 mm | f4 | 1/500 s | ISO 125

Das Brückengeländer ist kaum noch als solches zu erkennen. Für die nächste Aufnahme habe ich mich dann wieder für mehr Schärfentiefe entschieden:

Lumix FZ1000 ii | 45 mm | f3,3 | 1/500 s | ISO 125

Aber Moment... warum ist dieses Foto beinahe durchgängig scharf, obwohl die Blende weiter geöffnet ist (f3,3), als im vorherigen Motiv (f4)? Wenn Sie die Lösung dieses Rätsels bereits kennen, müssen Sie den nächsten Artikel nicht lesen. 😊 Ob so oder so: Genießen Sie derweil das Herbstlicht, und halten Sie Ihre Kamera für interessante Motive bereit. 

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