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Sonntag, 12. September 2021

Gestalten mit Fokuspunkt, Blende und Schärfentiefe

70 mm | f3,7 | 1/200 s | ISO 125 (Lumix FZ1000ii)


Die Einstellung der Blende wirkt sich auf die sichtbare Schärfentiefe im Bild aus. Diesen Satz haben Sie sicher schon oft gehört oder gelesen. Oder auch: Mit einer offenen Blende lässt sich das Motiv vom Hintergrund lösen. Das ist alles richtig, aber es ist nur die halbe Wahrheit. 

Sie erkennen das Motiv natürlich wieder. Vielleicht hatten Sie sich gefragt, warum ich die Distel nicht von der anderen Seite fotografiert hatte: Wegen des weniger interessanten, aber auch näher gelegenen Hintergrunds. Der wird sehr schnell zu einem unruhigen Störfaktor. Außerdem rennen Leute am Motiv vorbei. Als ich gerade dabei war dieses Foto zu machen, kamen zwei Jogger angetrabt, und mit ihnen kam eine spontane Bildidee. Wie stelle ich jetzt meine Kamera schnell auf die neue Situation ein?

Im Foto oben liegt der Fokus vorne auf dem roten Klee. Dahinter sollte sich die Distelfamilie erheben, noch in ihrer Form erkennbar, aber deutlich unschärfer, und die Büsche ganz hinten sollten möglichst wenig stören. Um das zu erreichen habe ich den Klee mit 70 mm Brennweite (leichtes Tele) anvisiert. Dadurch rücken die Disteln visuell etwas näher an den Klee heran, wirken etwas größer, und man sieht weniger von der Umgebung. Die Blende f3,7 erzeugt in Kombination mit dem Telestellung mehr diffuse Unschärfe im Hintergrund, als es beim Fotografieren mit dem  Weitwinkel der Fall gewesen wäre.

Als die Jogger kamen, hatte ich weder Zeit meinen Standort zu wechseln, noch war es möglich, die Kamera neu zu justieren. Ich stellte einfach auf die Disteln scharf, die etwas weiter entfernt waren. Dadurch verlagert sich die Schärfentiefezone weiter nach hinten. Im Bildvergleich kann man gut sehen, wie sich die Veränderung des Fokuspunktes im Bild auswirkt: Der Klee wird komplett unscharf, die Disteln scharf, die Jogger wieder unscharf. Die Büsche im Hintergrund haben jetzt deutlich mehr Konturen als im oben gezeigten Foto, obwohl beide Bilder mit f3,7 aufgenommen wurden.

70 mm | f3,7 | 1/160 s | ISO 125 (Lumix FZ1000ii)


Dass die Jogger in der Bewegung eingefroren sind, liegt an der kurzen Belichtungszeit. Dass sie diffus abgebildet werden, liegt an der Kombination aus Fokuspunkt (vorne) und Blende (offen), ist also ein Effekt der Schärfentiefe. Mit der Verlagerung des Fokuspunkts auf die Disteln rutscht der Klee sofort aus der Schärfentiefezone heraus, und wird zu einem diffusen Farbklecks im Vordergrund. Das kann man experimentell und gestalterisch nutzen, hier stört es, weil der auffällige Farbklecks das Motiv eher unruhig macht. Also nachträglich ab ins Hochformat.

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Man sieht nicht in allen Situationen so deutlich, wie das Zusammenspiel all dieser Faktoren funktioniert. Ich verstehe nur zu gut, dass man als Einsteiger der Verzweiflung nahe ist, weil diese einfache Regel (Blende auf/zu) nicht immer zu gelten scheint. Das ist das Problem bei der Vereinfachung komplexer Zusammenhänge. Es ist eben nicht nur die Blende, sondern auch der Fokuspunkt, der Abstand zum Motiv, die Abstände zwischen Motiv und Hintergrundmotiven, die Brennweite und die Größe des Kamerasensors, die bei der Gestaltung mitspielen. 

Neulich hat mich jemand gefragt, ob ich eine Schärfentiefe-App zur Berechnung benutze. Nein, das ist mir im fotografischen Alltag viel zu umständlich. Ich probiere einfach viel aus, sammle Erfahrungen, schaue mir später die Fotos und die Aufnahmedaten an. Dadurch entwickelt sich im Lauf der Zeit ein Gefühl dafür, wie das am besten funktioniert.

Grundlagen-Check

Die Blendeneinstellung erkennen Sie bei den meisten Kameras am Buchstaben f, der Ihnen am Monitor eingeblendet wird. Steht beim f eine kleine Zahl, zum Beispiel 2,8 bis 4,5, ist die Blende weit geöffnet. Wenn Sie dort eine höhere Zahl sehen, zum Beispiel 8 oder mehr, ist die Blende weiter geschlossen. Das bewirkt zweierlei: 

  1. Je weiter die Blende geschlossen ist, desto größer ist die Schärfentiefezone oder umgekehrt:
    Je weiter die Blende geöffnet ist, desto kleiner ist dieser scharfe Bereich.
  2. Beim Schließen der Blende kann nicht mehr so viel Licht auf den Kamerasensor gelangen. Das führt dazu, dass die Verwacklungsgefahr steigt, und ein verwackeltes Foto ist grundsätzlich unscharf, egal mit welcher Blende Sie es aufgenommen haben.

Schauen Sie sich die Vergleichsbilder an: Links ist die Blende offen, rechts ist sie zu. Links ist nur der vordere Griff der Wippe scharf, der hintere verschwimmt. Im Foto rechts erscheinen beide Griffe scharf, man erkennt sogar noch die Strukturen am Boden. Diesen optischen Effekt bezeichnet man als Schärfentiefezone. Mal ist diese Zone größer, mal kleiner, und die Blende spielt dabei eine wichtige Rolle.

Jetzt nehmen wir nochmal den Fokuspunkt dazu:

Am deutlichsten sieht man den Blendeneffekt bei offener Blende f2,8.
Wenn Sie mit offener Blende arbeiten, ist das genaue Scharfstellen besonders wichtig.


 

Um die Blende an der Kamera gezielt einzustellen eignet sich der Modus A am besten. Wählen Sie dann die gewünschte Blende, indem sie sie mit einem Rädchen justieren. Achten Sie auf die Anzeigen im Sucher oder am Monitor. Sobald Sie anfangen, in die Kamerasteuerung einzugreifen, ändern sich andere Aufnahmeparameter. Links haben wir eine Belichtungszeit von 1/80 s bei ISO 125. Rechts ist es 1/60 s aber der ISO-Wert ist auf 1600 hochgeschnellt. Das ist notwendig, damit das Foto korrekt belichtet wird. Beide Aufnahmen sind gleich hell. Der Modus A ist eine Halbautomatik, bei der Belichtungszeit und ISO-Wert (Auto) automatisch an die von Ihnen gewählten Blende angepasst wird. Das ist zum Üben einfacher.

Um mit der Blendenwirkung Erfahrungen zu sammeln, fotografieren Sie am besten ein Motiv mehrmals vom gleichen Standort und mit der gleichen Brennweite. Fokussieren Sie dabei jedes Mal auf dieselbe Stelle, und verändern Sie schrittweise die Blende, um den Effekt zu beurteilen. Am besten geht das zuhause an einem großen Monitor, denn auf dem kleinen Kameradisplay sieht man die feinen Unterschiede nicht so deutlich. 

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