Mittwoch, 19. Dezember 2012

Wenn die Inspiration flöten geht



Strategien, zur Überwindung des gelegentlich auftretenden Fotofrusts (Teil 1)

Autoren fürchten die sogenannte Schreibblockade, diesen grässlichen Zustand, in dem man vor einem weißen Bildschirm sitzt, und etwas zu Papier bringen soll. Die Ideen wären prinzipiell da, aber jeder Satz krümmt sich wie ein Wurm. Am Ende des Tages hat man mehr Textpassagen gelöscht als gespeichert. Diese uninspirierten Phasen gibt es auch beim Fotografieren. Da ist diese unsägliche Lust, hinaus zu gehen und tolle Fotos zu machen. Man hätte Zeit - oh Wunder - , man hat eine tolle Kamera, aber egal was man fotografiert: es sieht irgendwie alles sch... aus. Es will und will einfach kein Motiv auftauchen, mit dem man sich länger beschäftigen könnte. Uah. Das kann einem die Lust aufs Fotografieren ganz schön verhageln. Was tun?


Strategie 1: Die eigenen Ansprüche überprüfen
Oft sind es die eigenen hohen Ansprüche an das Bildergebnis, die den Frust verursachen. Die Erwartung, dass bei spätestens jedem zweiten Klick ein phänomenales Foto heraus kommt, ist überzogen. Die tollen Fotos, die Sie in Zeitschriften, Büchern und in Online-Galerien sehen, sind die Spitze des Eisbergs. Was Sie nicht sehen, sind die vielen Tausend mittelmäßigen und schlechten Fotos, die JEDER Fotograf in seinem Archiv hat. Wenn am Ende des Fotospaziergangs EIN wirklich gutes Foto dabei ist, sollten Sie darüber nicht die Nase rümpfen, sondern diese Perle angemessen würdigen.

Strategie 2: Konkreter werden
Es macht nur selten Sinn, die Kreativität erzwingen zu wollen. Trotzdem gibt es Situationen, in denen sich die Blockade auflöst, indem man einfach weiter fotografiert. Manchmal kommt die Lust am Fotografieren zurück, wenn man das Thema eingrenzt, und sich eine konkretere Aufgabenstellung sucht, als mit der vagen Idee los zu ziehen "heute mal tolle Fotos zu machen". Konkret bedeutet: Ich fotografiere heute nur
  • wartende / bellende / rennende Hunde
  • Schaufensterpuppen
  • Street-Motive
  • Postkartenmotive für Geburtstag/Weihnachten/...
  • Fensterdekorationen
  • Motive in der Farbe Rot
  • Autos / Fahrräder / abgestellte Roller...
  • [Motiv]...was immer Sie interessiert! 
Heißer Tipp: Im Buch Fotografieren! (Amazon) gibt es dazu jede Menge Aufgabenstellungen. 😊

Strategie 3: Fotografierverbot
Setzen Sie sich selbst einen Zeitrahmen, und vereinbaren Sie mit sich selbst, dass Sie vor dem soundsovielten des Monats x auf keinen Fall mehr fotografieren werden. Fassen Sie die Kamera nicht an. Je länger Sie das durchhalten, desto mehr Situationen wird es geben, in denen Sie von ihrem eigenen Verbot so genervt sind, dass Sie die Phase der Enthaltsamkeit voller Dankbarkeit wieder beenden wollen.


Strategie 4: Die gewohnten Pfade verlassen
Im Urlaub bzw. an fremden Orten erscheint alles immer viel interessanter, weil wir es nicht kennen. Zuhause in der gewohnten Umgebung herrscht Routine, die Gedanken kreisen um das Alltägliche und es fehlt die Offenheit, mit der wir uns auf Reisen auf unsere Umgebung einlassen. Wer nicht bis zum nächsten Urlaub warten möchte, könnte sich mal einen Nachmittag lang in ein Stadtviertel begeben, das er nicht so gut kennt. Was gibt es dort - oder im Nachbardorf - zu entdecken? Wer keine Zeit für Ausflüge hat, könnte den Nachhauseweg vom Arbeitsplatz nutzen, und mal eine andere Route oder ein anderes Verkehrsmittel nehmen als sonst. Sorgen Sie für mehr Abwechslung in Ihrem Leben, dann tauchen auch neue Fotomotive auf.

Strategie 5: Das Archiv aufräumen
Die meisten Bildarchive fristen ein trauriges Dasein: Hunderte von Fotos lagern auf Festplatten, werden selten oder gar nicht angeschaut. Selbst engagierte Fotografen, die ihre Fotos bei flickr, in Online-Communities oder auf ihrer eigenen Homepage zeigen, sitzen auf einem regelrechten Bilderberg. Nach einem Fotoshooting, einem Kurs oder Urlaub pickt man sich die besten (zeigenswerten) Fotos heraus, das war's. Die restlichen Bilder könnten aber, mit etwas zeitlichem Abstand betrachtet, auch noch sehr viel hergeben. Durch die jahrelange Erfahrung im Fotografieren verändert sich der Blick. Probieren Sie es aus!



Strategie 6: Analog entschleunigen
Haben Sie noch irgendwo eine alte Kamera herumliegen? Dann besorgen Sie sich ein oder zwei Filmrollen und ziehen Sie los. Sie werden sich wundern, wie wenig Knöpfe diese alten Dinger haben, und Sie werden völlig irritiert sein, dass Sie nicht sofort sehen können, wie die Aufnahme geworden ist. Wenn die alte Kamera ausserdem auch noch eine Doppelbelichtungsfunktion hat: experimentieren Sie doch mal mit Zufalls-Bildkombinationen. Wenn die Kamera so etwas nicht hat, dann spulen Sie den belichteten Film am Ende nicht ganz zurück. Legen Sie ihn einfach ein zweites Mal ein. Damit die Fotos hinterher richtig überlappen, muss der Film exakt eingelegt werden: Machen Sie eine Markierung (Filzstift) auf den Filmanfang, um die richtige Stelle wiederzufinden. Belichten Sie Ihre Fotos knapper (z.B. ISO-Wert verdoppeln), sonst wird die Doppelbelichtung zu hell.

Ganz wichtig: Wenn Sie den doppelt belichteten Film zum Entwickeln in ein Labor geben, lassen Sie die Negative nicht zerschneiden (!!), sondern lassen Sie sich die entwickelte Filmrolle in einem Stück liefern. Im Fotofachhandel ist das kein Problem, es funktioniert aber auch im Drogeriemarkt, wenn Sie auf der Filmtüte einen deutlich lesbaren Hinweis ins Feld "Sonderwünsche/Sonstiges" eintragen. Schneiden Sie die Negative selbst und lassen Sie Abzüge anfertigen, wenn alles geklappt hat. Wenn sich die Bilder nicht genau überlagern, kann man die Negativstreifen immer noch scannen...

So weit für heute, hier geht's zum zweiten Teil des Artikels.


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