45 mm | 1/120 s | f1,6 | ISO 50 - Smartphone |
Wie man sich doch irren kann: Da hatte ich steif und fest behauptet, dass mein Smartie keine Serienbildfunktion hätte. Wenn ich es behandelt hätte wie eine "richtige" Kamera, hätte ich erst mal die Bedienungsanleitung gelesen. Aber in meiner überdimensionalen Voreingenommenheit dachte ich, dass sich das entweder gar nicht lohnt, weil ich mich eh so super gut auskenne, oder dass es gar keine gute Anleitung für dieses Ding gibt. Das ist ja nur ein Handy, und das kann eh nix. Vollpfosten. Die Entdeckung der Serienbildfunktion war reiner Zufall. Und um genau zu sein: Nicht ich habe die Funktion gefunden, sondern meine 84jährige Mutter!
Ich hatte sie gebeten, ein Foto von mir zu machen, und ihr zu diesem Zweck morgens mein Smartie in die Hand gedrückt. Weil sich meine Mutter mit Technik überhaupt nicht auskennt, habe ich nur gesagt: "Da musst du draufdrücken", und ihr den großen weißen Knopf am Display gezeigt.
Es ist schon schwer für sie, das Handy überhaupt festzuhalten, und dann auch noch mit dem Finger der anderen Hand auf den Monitor zu tippen. Es dauerte also erst mal, bis sie das Handy in die richtige Position gebracht hatte - Ergotherapie. 😉
"Warte", sagte sie mehrmals, dann drückte sie endlich auf den weißen Knopf. Gut, wunderbar... Im Zimmer gab es nur Kunstlicht von oben, das schlechteste Licht, das man für Personenaufnahmen bekommen kann. Zudem ahnte ich, dass das Foto verwackelt sein würde. Bei manchen Erinnerungsfotos ist das Wurst. Wie sich später herausstellen sollte, waren zwei Fotos tatsächlich scharf (!), aber trotzdem nicht zu gebrauchen, wegen der Beleuchtung und des Super-WEITwinkelmodus. Der hatte die Proportionen so krass verzerrt, dass ich auf dem Bild aussah, wie ein Astronaut, der gerade am Rand eines schwarzen Lochs in eine Raumzeit-Verkrümmung gerät.
Als ich die Bilder später von der Speicherkarte löschen wollte, staunte ich nicht schlecht: Da waren nicht zwei oder vier von diesen grusligen Fotos auf der Karte, sondern insgesamt fünfzehn.
Im Dateisystem waren die Bilder freundlicherweise als _BURST00x-Dateien zu erkennen, mit fortlaufender Nummerierung und Cover-Foto für die erste Aufnahme der Serie. Na sowas.
Mit ihrer krankheitsbedingten Grobmotorik und in ihrer Ahnungslosigkeit, hatte meine Mutter etwas getan, worauf ich nicht gekommen war: Sie hatte einfach den Daumen auf den virtuellen Auslöserknopf gehalten und - wie ihr geheißen - fest draufgedrückt.
Am nächsten Tag habe ich diese BURST-Funktion unter etwas besseren Lichtverhältnissen getestet, mit einem Motiv, bei dem man die Bewegungen im Bild besser einschätzen kann.
Kamera draufhalten und abdrücken... das wird immer einfacher, die Technik besser und handlicher. Diese beiden Motive habe ich bewusst unbearbeitet gelassen, weil sie trotz der schwierigen Lichtverhältnisse (Kontraste, Beleuchtung) unerwartet ausgewogen belichtet waren, und trotz Bewegung und ohne weiteres Zutun (Fokussieren, Belichtungszeit regeln) scharf geworden sind. Es war hell genug, aber im Vordergrund extrem schattig, und hinten sehr hell. Das sind Situationen, in denen ich normalerweise die Belichtung korrigiere.
Nach diesen weiteren Experimenten wundert es mich nicht, dass immer mehr Fotobegeisterte gerne auf den ganzen wissenstechnischen Überbau und dreitausend Kameraeinstellungen verzichten. Mehr Flexibilität unterwegs, weniger Gepäck, weniger Aufwand beim Fotografieren für ordentliche bis schöne Fotos, die ganz ohne Nachbearbeitung funktionieren, oder mit ein paar schnellen Klicks optimierbar sind. Was auf der einen Seite schön ist, weil man sich mehr aufs Motiv und auf die Gestaltung konzentrieren kann, hat den Nachteil, dass langfristig eine Menge Knowhow bei den Fotografierenden verloren gehen wird. In zehn Jahren graben es wieder aus? Schauen wir mal.
Die Bedienungsanleitung habe ich mittlerweile durchgelesen. Auf insgesamt zwanzig Seiten sind alle Funktionen erklärt. Von einer Serienbild- oder gar BURST-Funktion ist in der Anleitung nichts zu finden, dabei wäre das wirkliche eine der "aufregenden Funktionen". Bei den wichtigen Kameratipps kommt als erstes: "Schwarz-Weiß-Fotos aufnehmen", und "Gestalten Sie Ihre Selfies und Gruppenfotos noch viel schöner. Der Porträtmodus bietet Ihnen Optionen, um jedes Foto zu verschönern und ihm einen bleibenden Wert zu verleihen." Wunderbar. Und wie genau?
Noch schöner: "Im Profi-Modus können sich manche Einstellungen ändern, wenn Sie eine Anpassung vornehmen. Sie können diese entsprechend Ihrer tatsächlichen Bedürfnisse anpassen."
Jetzt weiß ich Bescheid. 😂
"Verwenden Sie AR-Objektiv für lustige Fotos, die auffallen."
Okay. Nächstes Mal. 😆
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