Dienstag, 6. Februar 2024

Wie sehen Sie das?

400 mm | 1/320 s | f4 | ISO 640 | Lumix FZ1000
Kronenkranich im Tierpark

Machen Sie schon was? Und wenn ja: was genau?
Winterschlaf ist ja auch eine Möglichkeit. 😉

Dietmar Carl hatte letzte Woche unter dem Beitrag Sommergrün 2023 eine Frage zum Thema Fotos mit Handys/Smartphones gestellt, die ich tatsächlich gerne aufgreife: 

"Ich möchte hier nicht über die BQ (Bildqualität) sprechen, dazu gibt es genügend Testberichte. Was oft außer Betracht bleibt und für mich wesentlich beim Fotografieren ist: Es sollte Spaß/Freude machen. Und diese Freude stellt sich, zumindest bei mir, beim Handyfotografieren nie ein. Ich kenne andere Fotografen, denen es ebenso geht. Wie sehen sie das?"

Ich hatte auf den Kommentar kurz geantwortet: Das Fotografieren mit dem Handy macht auch mir weniger Spaß. Der Wechsel zur Smartphonefotografie ist purer Pragmatismus, und den Unterschied merke ich ganz besonders, wenn ich ausnahmsweise eine andere Kamera mitnehmen kann. Das war viel zu selten in den letzten beiden Jahren, und das muss und wird sich auch wieder ändern.

Was bedeutet "Spaß am Fotografieren"?

Ich gebe die Frage erst mal an Sie weiter, bevor ich meine Antworten aufschreibe. Was macht Ihnen Spaß, oder was bereitet Ihnen beim oder am Fotografieren Freude? Denken Sie einen Moment darüber nach, bevor Sie weiterlesen.

Ich denke, dass es mehrere Schwerpunkte gibt, durch die man die Freude am Fotografieren erleben kann. Zu welcher Gruppe gehören Sie am ehesten? Es ist womöglich - genau wie bei mir - eine Mischung aus den nachfolgend beschriebenen Varianten:

  • Erinnerungsorientiert:  Man will einfach nur bestimmte Momente festhalten
    Nennen Sie es Amateurknipserei oder wie immer Sie wollen: für sehr viele Menschen geht es um eine ganz einfache Erinnerung, für sich selbst oder zum Herzeigen im Familienkreis. Sie lesen diesen Blog, darum gehören Sie wahrscheinlich nicht zu dieser Gruppe. Wahrscheinlich machen aber auch Sie das eine oder andere 'Knipsbild', um einen vergänglichen Moment einzufangen. Ob Sie dabei eine hochwertige Kamera oder ein Smartphone benutzen, ist nebensächlich, weil am Ende nur das Bild wichtig ist, das die Erinnerung triggert. Im betrachtenswert-Blog finden Sie dazu den Artikel >Festplatten Feng-Shui.

  • Prozess- oder erlebnisorientiert: Das Fotografieren 'als Ganzes' macht Spaß
    Fotografieren ist für viele eine Art kreative Entdeckungsreise, bei der man sich inspirieren lässt - vielleicht so ein bisschen nach dem "Jäger und Sammler-Prinzip". Bei Fortgeschrittenen kann es aber auch eine lange gehegte Bildidee sein, die man bei einem Fotoshooting, im Studio oder bei einer (Foto)Reise umsetzt. Der kreative und gestalterische Prozess (zu dem auch die technische Umsetzung gehört) steht im Vordergrund. Fragen nach der Technik kommen hier natürlich auch auf, und zwar immer dann, wenn das Foto nicht so wird, wie man es sich vorgestellt hatte.

  • Soziale Komponente
    Manche Fotobegeisterte ziehen lieber alleine los, andere finden es mit Gleichgesinnten schöner. Das Gruppenerlebnis und das Fachsimpeln kommen dann als Spaßfaktor obendrauf. Wenn die Bilder nicht absolut top sind, macht es auch nichts, weil die Freude am Fotografieren schon während des Tuns erlebt wird, oder weil man einen schönen Nachmittag hatte. Tolle Ergebnisse machen die Sache perfekt.
    Meiner Erfahrung nach sind Fotobegeisterte eher keine "Rudeltiere", weil jeder etwas anderes sieht, in eine andere Richtung rennt, und dann in den jeweils eigenen Flow-Zustand versinkt. 😊 Am Ende sind Fotos aber etwas, das man herzeigen, in modernem Sprech "mit anderen teilen" möchte.

  • Zielgruppenorientiert: Es soll (oder muss den 'Kunden') gefallen
    Seien es Instagram-, Wettbewerbs-, oder reine Erinnerungsfotos: Gefällt es mir, gefällt es meinen Freunden, der Community? Werden die Bilder geliked, gewinne ich beim Wettbewerb? Die Freude entsteht durch die Anerkennung. Bild gut, Stimmung gut = Freude.
    Weil es bei vergleichbarem Inhalt (Tiere, Kinder, Sonnenuntergang) sehr unterschiedliche technische Umsetzungen gibt, die mehr oder weniger gut bei der Community ankommen, entsteht irgendwann die Motivation, technisch aufzurüsten, um die Bildqualität zu verbessern. Dann steht oft der Wechsel vom Smartphone zur System- oder Spiegelreflexkamera an. Das Fotografieren wird anstrengender, weil man erst mal viel lernen muss, und der Spaß geht erst mal flöten. 😅

    Ob ein Bild gefällt oder nicht, hängt von der jeweiligen Community (Zielgruppe) ab. Manche schauen eher auf den Inhalt (Idee, Bildaussage), andere auf die Bildqualität, wieder andere sind an der Technik interessiert. Der Dreissatz beim Wettbwerb lautet: Idee - Gestaltung - Technik, angewendet wird er in der umgekehrten Reihenfolge.

    Speziell in Fotofachkreisen wird mehr über Technik (Ausrüstung) und (technische) Bildqualität diskutiert, als über den Inhalt oder die Bildidee. Das kann man bedauern, ist aber in der Übergangsphase eine gute Schule für alles Handwerkliche, solange die Kritik sachlich und konstruktiv ist.
  • Technikorientiert: 
    Es gibt Menschen, denen die Fotos am Ende gar nicht so wichtig sind. Sie können damit leben, dass ihre Bilder vielleicht nicht so sensationell sind. Viel wichtiger ist es ihnen, eine wirklich gute Kamera zu benutzen, oder in der Vitrine liegen zu haben. Man könnte jederzeit perfekte Bilder machen, wenn ... es nicht so unglaublich anstrengend wäre. 😏

  • Perfektionisten wollen das Gesamtpaket, bestehend aus
    - bestmögliche Kamera (Ausrüstung)
    - bestmögliche motivgerechte Kameraeinstellungen in jeder Aufnahmesituation
    - bestmögliche Rahmenbedingungen (Location, Wetter, Licht)
    - aussergewöhnliche Motive
    - beeindruckende Bildideen oder Umsetzung
    - für die es hohe Anerkennung aus der Community gibt, oder Preise bei Wettbewerben,
    - was wiederum insgesamt unglaublich viel Spaß macht, und den hohen Aufwand rechtfertigt.

    Jede einzelne Komponente dieses Gesamtpakets ist ein Element, bei dem man Freude empfinden kann, sei es beim Kauf von Geräten, oder im Prozess des Fotografierens. Das ist Fotografieren auf höchstem Niveau, für das man bereit sein muss, auf andere Dinge, vor allem aber auf gewisse Bequemlichkeiten zu verzichten = Typsache. Perfektionisten neigen dazu, ihre ultrahohen Ansprüche auf andere zu übertragen, und verstehen oft nicht, dass es Menschen gibt, die keine perfektionistischen Neigungen haben, und ihren Spaß woanders finden. 

Ob mit oder ohne Smartphone: Fallen Ihnen noch weitere oder ganz andere Beweggründe ein, warum Fotografieren Spaß macht?

Warum macht (mir) das Handy keinen Spaß?
Die Lösung ist im Leserkommentar bereits enthalten: " Ich kenne andere Fotografen, denen es ebenso geht." Je weniger man übers Fotografieren weiß, desto weniger kennt man die Grenzen der Smartphonefotografie. Sieht doch schön aus? Fortgeschrittene, die wissen, was man mit einer "klassischen Kamera" bzw. Ausrüstung alles machen kann, werden vom Smartie am schnellsten genervt sein.
Sie können das Bild, das Sie im Kopf haben, nicht, oder nur innerhalb gewisser Grenzen umsetzen. Es hängt natürlich auch von den Motiven ab, die Sie am häufigsten fotografieren. Sport- oder Tierfotografie mit dem Smartphone kann man theoretisch machen, aber es kommt etwas ziemlich anderes dabei heraus. Um ein abgerissenes Plakat an der Wand abzufotografieren, reicht das Smartie. Fotografen wollen die fürs Motiv erforderlichen Einstellungen vornehmen, und dazu muss man an der Kamera herumschrauben. Da kackt das Handy völlig ab. Es hat zwar im Pro-Modus vergleichbare Regler, aber... reden wir gar nicht erst nicht über Brennweite, optische Abbildungseigenschaften, und Sensorgröße, die nicht nur technische, sondern auch gestalterische Grenzen setzen. Das Foto vom Kronenkranich hätte ich mit dem Handy nie machen können. Das "Silvesterherz" wiederum hätte ich verpasst, weil die Müllabfuhr am 1. Januar so schnell durch war, dass ich keine Zeit gehabt hätte, eine andere Kamera zu holen. Das Handy war beim Joggen mit dabei.

Haptik!
Eine "richtige" Kamera fühlt sich in den Händen völlig anders an, als ein plattes Smartie mit seiner glatten Oberfläche. Es hat keinen Sucher, der Monitor spiegelt, das nervt. Außerdem gibt es keine Knöpfe, die man intuitiv drücken oder Rädchen, an denen man schnell drehen kann. Man muss alles nacheinander auf dem Monitor antippen und herumwischen. Da ist so manches Motiv über alle Berge, bis man den Regler für die Belichtungszeit gefunden hat. Fummelig ist es auch noch. Wie oft habe ich schon daneben gewischt, den Weißabgleich aktiviert anstelle der Belichtungskorrektur... Allein das nervt mich so, dass ich den PRO-Modus nur ganz selten benutze. Wenn man kein rutschfestes Verhüterli für die flache Flunder kauft, flutscht einem auch noch das Gerät aus den Fingern, pardauz, halleluja. Der einzige Vorteil am Smartie ist, dass es in die Jackentasche passt, und immer griffbereit ist. Und es macht beim Selfie automatisch die Falten aus dem Gesicht weg. Danke. 😅

Ergonomie und Design!
Nicht umsonst haben sich die Kamerahersteller viele und oft sehr gute Gedanken darüber gemacht, wo sie an einem klassichen Kameragehäuse all die Knöpfe und Rädchen und Funktionstasten unterbringen sollen. Dass der moderne Spiegelreflexbody mit seinen weichen Rundungen am Handgriff von Luigi Colani inspiriert war und von Canon entwickelt wurde, wussten Sie wahrscheinlich auch nicht?
Es könnte auch an den eckigen Gehäusen vieler spiegelloser Systemkameras liegen, dass ich damit einfach nicht warm geworden bin. Wenn eine Kamera gut in der Hand liegt und ergonomisch gut designt ist, kann ich sie nach kurzer Zeit einstellen, ohne die Knöpfe überhaupt anschauen zu müssen. Ein ergänzendes Touchscreen ist fein, ich komme aber auch ohne aus. Weniger Schnickschnack, und das Wichtige an der richtigen Stelle, fertig.

Warum nehme ich trotzdem das Smartie?

Hauptsache Fotos, lautet meine Devise, und Dranbleiben, damit ich den Blick für Motive nicht verliere. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte ich einen fiesen Durchhänger und überhaupt keine Lust mehr zum Fotografieren. Zuvor hatte ich mir noch eine analoge EOS1 gekauft, aber da stand die Digitalfotografie schon in den Startlöchern. Als ich im Jahr 2000 mit Diafilmen bewaffnet für vier Wochen nach Indien flog, dachte ich, dass die zwei nahezu fotolosen Jahre spurlos an mir vorübergegangen wären. Das böse Erwachen kam, als ich die Dias hinterher anschaute: Purer Frust. Man kann total aus der Übung kommen, selbst wenn man jahrelang fotografiert hat, und eigentlich weiß, wie es geht. Mein Reset kam mit den ersten Digitalkameras, und seitdem bin ich begeisterte Digitalfotografin.

Die Bequemlichkeitsfalle
Als ich noch ein richtig altes Handy hatte, war die Bildqualität so grottenschlecht, dass ich es wirklich nur in Notfällen zum Fotografieren benutzt habe. Je besser die BQ der Smartphones, desto gefährlicher ist es, der Bequemlichkeit zu verfallen. Es geht schon irgendwie... ja, wenn man auf viele spannende Möglichkeiten verzichtet. Das wäre jetzt die perfekte Gelegenheit, den Kameraherstellern ganz laut zuzurufen: Holt euch den Markt zurück! Entwickelt vor allem Kameras, die man gerne anfasst. 😊
Irgendwo habe ich gelesen, dass die modernen Kamerasysteme "ausentwickelt" seien. Echt jetzt? Wo bleibt dann die handlich-haptische Taschenkamera mit Vollformatsensorqualität? Geht nicht gibt's nicht, sonst setze ich den Elon Musk auf das Thema an. 😏

Siehe auch: Sommergrün 2023

im betrachtenswert-Blog: Festplatten Feng-Shui, oder Glitch beim Check-In
Vielleicht auch interessant: Grüße aus Digitalien

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