Montag, 18. Juli 2011

Die Sache mit dem Licht

Bei unserer Exkursion zum Sommer-Tollwood hatten wir diesmal richtig schönes, warmes Wetter, Sonnenschein satt. Auch um 19 Uhr ist es um diese Jahreszeit noch hell genug für Übungen mit der Blende (Av/A), und so entstand zunächst diese Aufnahme mit Fokus auf die Steinskulptur.

Drei Stunden später sah das gleiche Motiv dann etwas anders aus: Der Schriftzug im Hintergrund war bereits beleuchtet. Die Skulptur vorne, die zuvor noch Sonnenlicht von der Seite bekommen hatte, lag nun ganz im Schatten.




Oli schreibt bei flickr: "Der Hintergrund ist perfekt, lediglich die Steine würde ich mir etwas heller mit mehr Struktur&Zeichnung wünschen."

Um das zu erreichen, gibt es mehrere Wege:
1) Aufhellblitz
2) DRI* per Bildbearbeitung oder Kontrastkorrektur
3) echte HDR-Aufnahme

Das Grundproblem in dieser Situation: der Kontrastumfang zwischen der dunkelsten (Steine) und hellsten Stelle (Himmel) ist höher, als die Kamera innerhalb einer Aufnahme bewältigen kann.


Was passiert?
Fotografiert man schattige Motive gegen einen hellen Hintergrund, werden sie im Foto meist dunkler, als das Auge sie wahrnimmt. Je nach Kameramodell/Typ und Aufnahmeeinstellungen (Belichtungsmessmethode) bekommt man in vergleichbaren Situationen ganz unterschiedliche Bilder aus der Kamera. Neuere Modelle, die bereits eine Kontrastkorrektur als Option anbieten, dunkeln die hellen Bereiche ab und heben die dunklen Bereiche an. Bei älteren Kameras und bei einer Belichtungsmessung über das gesamte Bildfeld, erscheint das schattige Motiv manchmal nur als Silhouette. Das muss kein Fehler sein (!), denn es kommt immer darauf an, welche Vorstellung der Fotograf davon hat, wie das Foto am Ende aussehen soll.

Über die Belichtungsmessmethode (z.B. Spot auf die Skulptur) oder über die Belichtungskorrektur (+) kann man den Silhouetteneffekt verringern, wenn man mehr Details des Vordergrundmotivs sehen möchte. In beiden Fällen wird jedoch das gesamte Bild heller, d.h. der farbige Schriftzug hebt sich nicht mehr so schön vom Himmel ab und/oder der Himmel wird weiß.
Um die hellen und dunklen Bereiche feiner auf einander abzustimmen, gibt es mehrere Wege:

Strategie 1: Blitzen
Am einfachsten und sinnvollsten für mehr Zeichnung im Vordergrund ist ein dosierter Aufhellblitz. Dosiert heißt: keine Automatik, sondern Blitz + Blitzbelichtungskorrektur (verringerte Leistung). Andernfalls würde zu viel Licht auf der Skulptur ankommen, das Ergebnis wäre u.U. ein zu heller Vordergrund der das Motiv dann zu unnatürlich aussehen ließe.

Strategie 2: Bildbearbeitung
Das Foto (idealerweise RAW-Datei) wird mit dem Befehl Tiefen/Lichter so angepasst, dass die hellen Stellen dunkel bleiben und nur die dunklen Bereiche aufgehellt werden. Wenn das Bild wie hier mit einem hohen ISO-Wert aufgenommen ist, sind der Nachbearbeitung Grenzen gesetzt, weil sich starke Anpassungen der Tonwerte auch immer in einer Verstärkung des Bildrauschens bemerkbar machen.

Strategie 3: DRI-Bildserie oder echtes HDR**
Man macht mehrere Aufnahmen unterschiedlicher Helligkeit, alle mit der gleichen Blendenstufe, (z.B. Av/A + f11 bei ISO 100) und lässt die Einzelaufnahmen in einem Spezialprogramm oder den HDR-Funktionen von PS/PS Elements zusammenrechnen. Diese Methode ist die aufwändigste und erfordert ein Stativ.

Doch zurück zur Frage, die für mich beim Fotografieren viel wesentlicher ist:

Wie soll(te) das Foto aussehen? Was war die Absicht/das Ziel?

Für mich war mehr Zeichnung auf den Steinen im Augenblick der Aufnahme kein Thema, das "zu dunkle" Bild entsprach der Abendstimmung, und gab in Etwa das wieder, was ich subjektiv wahrgenommen hatte. Das Bißchen Helligkeit, das mir in der Originalaufnahme noch gefehlt hatte, bekam ich am PC durch eine leichtes Anheben der Tiefen hinein. Was mich an dem Bild stört, ist das starke Rauschen. Meine neue Kamera, die ich an diesem Abend das erste Mal dabei hatte, konnte mich in diesem Punkt nicht wirklich überzeugen, aber das ist ein Thema für einen anderen Blog-Beitrag.

Was die Bildwirkung angeht bleibt anzumerken, dass jeder Mensch Farbe und Helligkeit anders wahrnimmt, sowohl bei der Aufnahme, als auch beim späteren Betrachten der Bilder auf einem Ausgabegerät. Selbst wenn die Geräte kalibriert sind, gibt es (noch) kein Messverfahren für die individuelle Wahrnehmung, die stets im Gehirn stattfindet, und zudem mit vielen anderen emotionalen Zuständen verknüpft ist. Jeder Fotograf hat andere Erwartungen an (seine und fremde) Bilder. Es ist unmöglich, für Fotos eine absolut gültige Aussage über gut/schlecht, Gelingen oder Misslingen zu treffen. Relativ betrachtet sind solche Aussagen aber durchaus möglich und zum Lernen wichtig. Wenn es das Ziel ist, ein Foto mit viel Zeichnung zu erhalten, dann ist das Foto oben handwerklich misslungen; das erste Foto vom frühen Abend erfüllt die Bedingung nach mehr Zeichnung deutlich besser.

Man kann übrigens auch den umgekehrten Weg gehen, und die Silhouettenwirkung betonen. Wenn es die Kamera nicht automatisch tut, dann erreicht man diesen Effekt mit einer Belichtungskorrektur nach Minus.


Die Gratwanderung zwischen Hell und Dunkel bietet so viele Möglichkeiten, dass es schade wäre, wenn man sich auf eine einzige beschränken müsste. 😊

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*DRI = Dynamic Range Increase, Erhöhung des Kontrastumfangs
** HDR = High Dynamic Range, Bild mit hohem Dynamikumfang

2 Kommentare:

  1. Oh je, oh je. Jetzt bin ich auch noch schuld an einem Artikel... ;-)
    Vielleicht vielleicht hätte man auch mit der Gradiationskurve noch etwas mehr Licht in die Mitten bekommen, auch der "Wiederherstellungsregler" in LR3 bewirkt manchmal kleine Wunder. Aber ich gebe dir vollkommen Recht: Es ist recht Subjektiv! lg, oli

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  2. Zitat: "Meine neue Kamera, die ich an diesem Abend das erste Mal dabei hatte, konnte mich in diesem Punkt nicht wirklich überzeugen, aber das ist ein Thema für einen anderen Blog-Beitrag."

    Welche Kamera ist denn die neue Kamera?
    Auf was muss ich beim Kauf einer neuen Kamera achten, um das Rauschen zu vermeiden? Einen möglichst großen Bildsensor?

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