Dienstag, 3. Juni 2014

Fotografie 4.0
















Ich überlege schon seit einer Weile, ob und wann ich mir das nächste Spiegelreflexgehäuse und richtig gute Objektive kaufe. Ihr kennt das: Viel Geld. Natürlich lohnt sich das für jeden, der hohe Ansprüche an die Bildqualität hat, und das wird auch noch ein paar Jahre lang so bleiben. Aber meine Welt ist anders: Ich bekomme fast jedes Jahr eine aktuelle Kamera geliehen, keine Spiegelreflex, aber die hab ich ja eh. Ein paar Tausend Euro in etwas investieren, das ich nur zu 30% nutze, ist und bleibt für mich unrentabel. Mich interessiert etwas ganz anderes: Kreativität.

Als Foto DINKEL letzten Freitag zur Produktpräsentation lud, habe ich den Fenstertag gerne geopfert. Bereits 2012 war ich Feuer und Flamme, als ich von der ersten Lichtfeldkamera hörte. Damals gab es die kleine Lytro nur in den USA, sonst hätte ich sie SOFORT bestellt. Als sie ein Jahr später endlich in Deutschland auf den Markt kam, fiel ich fast in Ohnmacht, weil der Euro-Preis so weit über dem Dollar-Preis lag, dass es richtig weh tat. Zudem hatten mir einige Fotoexperten das schöne neue Spielzeug madig gemacht: Die Bilder kannst du nicht drucken, die Auflösung is nix und überhaupt... 
Ja, aber der Spaßfaktor!?



Der reizt mich immer noch ungemein! Jetzt haben die Hersteller ordentlich nachgelegt. Im August kommt die LYTRO ILLUM auf den Markt und ich hatte einen der drei Prototypen schon mal in der Hand. Damit ihr versteht, warum mich dieses Ding so fasziniert, muss ich ein bisschen ausholen.


Die Lytro ist keine "normale" Kamera, die zweidimensionale Fotos macht, sondern eine Lichtfeld-Kamera. Sie zeichnet nicht nur die Position und Intensität eines Lichtstrahls auf, sondern erkennt auch die Richtung, aus der dieser Lichtstrahl eingefallen ist (4 Dimensionen). Die Rohdatei ist an der Illum ca. 50 MB groß, die Auflösung wird nicht mehr in Megapixel sondern in Megaray gemessen - eine neue Maßeinheit.
Mehr Infos zur Lichtfeldfotografie gibt's bei Wikipedia.

In der Praxis sieht das folgendermaßen aus: Die Lytro macht digitale Bilder, aber die Scharfstellung erfolgt nicht vor der Auslösung sondern hinterher. Das ist schon mal toll, wenn man versehentlich auf den falschen Punkt scharfgestellt hat - falscher Fokus lässt sich korrigieren. Ein weiterer Vorteil: Es gibt keine Auslöseverzögerung. Neben der Programmautomatik (P) gibt es die Zeitvorwahl (S) und anstelle der Blendenvorwahl hat die Illum ein Schärfentiefezone-Histogramm: Man kann genau definieren, welchen Bereich man im späteren Bild innerhalb der Schärfentiefezone haben möchte.
Mit der Lytro-Software kann man die Dateien bearbeiten und auf den Punkt scharfstellen, oder man exportiert eine gestapelte TIF-Datei, deren Ebenen sich in Lightroom und Photoshop weiter bearbeiten lassen (> Focus Stacking). Aktuelles Manko für die klassischen Fotografen: Derzeit gehen nur Drucke bis 20x30 cm. Jetzt aber bitte weiterlesen!

Was die Sache wirklich interessant macht, sind die interaktiven Möglichkeiten: Man kann Bewegung innerhalb eines Bildmotivs erzeugen und bekommt eine erstaunliche Dreidimensionalität am Bildschirm. Lädt man die Bilder ins Netz, z.B. bei Facebook oder G+, kann der Betrachter entscheiden, welchen Teil des Bildes er scharf sehen möchte. Damit entspricht die Lichtfeldtechnologie viel eher der menschlichen Wahrnehmung. Wir schauen ein Objekt ja nicht mit fixem Fokus an, sondern lassen das Auge eigentlich immer über das gesamte Motiv wandern. Ausprobieren kann man das mit den Fotos in der Lytro-Galerie. Die Beispiele sind derzeit noch mit der kleinen Box (1:1 Format) gemacht. Die Illum kommt im gewohnten Rechtecks-Format, hat eine erheblich höhere Auflösung und wird auch - extra für den deutschen Markt - einen elektronischen Sucher bekommen. Das Zoomobjektiv entspricht einer Brennweite von 35 - 250 mm bei einer durchgängigen Lichtstärke von f2 und kann prinzipiell von 0 cm bis unendlich scharf stellen.
Die Kamera ist sehr leicht, liegt gut in der Hand und die Menüführung ist überschaubar. Es gibt wenige Funktionstasten, die Bedienung erfolgt weitgehend über das Touchscreen an der Kamerarückseite.

Mein Fazit
Das Scharfstellen auf sehr nahe Objekte hat bei mir noch nicht so ganz geklappt. Man wird den gleichen Problemen begegnen, wie beim konventionellen Fotografieren: Verwacklungsgefahr, Bildrauschen bei hohem ISO, richtige Belichtungszeit einstellen für bewegte Motive usw. Es ist also nicht so, dass die Lichtfeldkamera alle Probleme löst und nur tolle Bilder liefert. Im Gegenteil: Man muss umdenken, weil es ein völlig neuer, innovativer Ansatz des Fotografierens ist.
Den Euro-Preis kenne ich noch nicht, und 1600 $ klingt erst mal viel. Da fällt mir meine erste digitale Ixus ein, für die ich vor 15 Jahren ein irres Geld hingeblättert habe 2.1 Megapixel! Damals waren die analogen Kameras den digitalen weit überlegen und so ist es heute auch: Die etablierten Digitalkameras haben gegenüber einer Lytro qualitativ die Nase vorne - noch. Aber bevor ich mir so eine spiegellose Systemkamera ins Haus hole, greife ich lieber nach etwas, das mich kreativ fordert und wirklich neue Möglichkeiten eröffnet!

Update 2020: Leider hat sich diese Technologie (noch) nicht durchgesetzt - schade. Ich bin da wahrscheinlich zu innovativ und experimentierfreudiger als "der Markt". Vielleicht bekommt die erste und einzige Lytro, die 2014 auf den Markt kam, irgendwann Sammlerwert. 😉

2 Kommentare:

  1. Hi Jacqueline,

    da hab ich doch gleich zwei Links für dich.

    http://focustwist.com/
    (wenigstens ein Vorteil für ein iPhone)

    und in diesem Zusammenhang auch noch:
    http://www.theverge.com/2013/4/23/4256030/arqball-focus-twist-iphone-lytro-photo-app-hands-on

    Gruß Franka

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  2. Hallo Franka,
    vielen Dank für die Links. Diese Drehbewegung haben wir bei der Präsentation auch vorgeführt bekommen. Die Bilder wird man in absehbarer Zeit auch auf Android-Geräten sehen/anzeigen können, unter Windows geht es natürlich auch. Ob man da irgendwann so schön mit den Fingern ins Bild reindrehen kann, wie bei den iPhones, iPads etc. weiß ich nicht.

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