Mittwoch, 26. August 2020

Keine Zeit?



Sie haben es sicher schon bemerkt: meine Schreiblaune ist momentan gering. Oh, woran bastelt sie gerade wieder? Ich kann es Ihnen sagen: Ich verbringe meine Zeit mit einer scheinbar nutzlosen Tätigkeit, die darin besteht, Bilder zu malen. Das wollte ich schon lange tun, aber erst jetzt passen die "Rahmenbedingungen". Welche Erfahrungen ich dabei fürs Fotografieren machen konnte, erfahren Sie, wenn Sie weiterlesen.


Ich kann nicht besonders gut zeichnen, darum muss ich zur Zeit viel lernen und üben. Dabei geht es mir nicht um die fotorealistische Darstellung von Objekten. Ich bewundere Menschen, die das können, aber wenn ich ein realistisches Bild von etwas haben möchte, nehme ich eine Kamera. Schon als Teenager hatte ich mich aufs Fotografieren verlegt, weil mir Zeichnen und Malen zu lange dauerte. Bis ein Bild fertig ist, können bei mir je nach Format und Technik Tage oder Wochen vergehen. Jackson Pollock war schneller, das ist aber nicht mein Stil. 

Selbst für abstrakte Darstellungen muss man in der Lage sein, einen Stift oder einen Pinsel mehr oder weniger genau zu führen. Vielleicht kennen Sie das auch: Durch jahrzehntelanges Arbeiten am Computer bin ich zum "Grobmotoriker" geworden. Die Muskulatur meiner rechten Hand reagierte jedes Mal mit einem Krampf, wenn ich mehr schreiben wollte, als einen Einkaufszettel. Das ist mittlerweile wieder besser geworden.


Als ich neulich wagemutig versuchte, die Form dieser Blätter zu zeichnen, die deutlich sichtbar vor mir auf dem Schreibtisch lagen, scheiterte ich kläglich. Es war ein Erleuchtungsmoment der besonderen Art.
Beim Fotografieren muss man eigentlich schon genau hinschauen, um zu sehen, ob sich ein Motiv als Foto eignet. Dann kann man das Bild im Sucher oder am Monitor gestalten: Gibt es störende Elemente, wo überschneiden sich Objekte, wie verlaufen die Linien, wo setzt man den Bildschnitt?


Für weitere Feinheiten braucht man die Kameratechnik (Schärfe, Belichtung, ...), und das muss man, genau wie das Zeichnen, eine gute Weile üben. Da passieren Fehler. Aber um ein Bild zu fotografieren braucht man prinzipiell nur ein paar Minuten, manchmal genügen Sekunden.

Wenn man ein Motiv zeichnen will, muss man wirklich ganz genau hinschauen, und auf ganz andere Dinge achten. Ich habe mich beim Anblick meiner misslungenen Zeichnung gefragt, ob es mir möglich wäre, zum Beispiel die Türme der Münchner Frauenkirche aus der Erinnerung heraus zu skizzieren. Probieren Sie es selbst aus. Jeder kennt dieses Bauwerk. Ich selbst habe es schon sehr oft gesehen und x-mal aus den unterschiedlichsten Perspektiven fotografiert. Sollte also kein Problem sein, oder? 
Die Form, die Umrisse und die ungefähren Proportionen würde ich vielleicht noch hinbekommen, aber dann setzt es schon aus. Wie viele Kanten haben die Hauben der Türme? Welcher der beiden Türme ist niedriger? Woran sieht man das? Wo befinden sich die Fenster, welche Form haben sie? Und wenn man es richtig schwierig machen will: Wie verteilen sich Licht und Schatten? 
Ich könnte dieses einfache Motiv nur sehr grob skizzieren, obwohl ich beim Fotografieren ständig auf viele Details achte. Selbst bei einem imaginären Landschaftsmotiv wusste ich nicht, wie ich die Farbverläufe anlegen sollte. Autsch. Natürlich ist auch das Übungssache, aber es setzt voraus, dass man den Blick für speziell diesen Zweck weiter schult, die Techniken lernt, und die manuellen Fertigkeiten trainiert. Im Prinzip ist es wie beim Fotografieren, nur die Schwerpunkte sind anders.

(M)eine neue Wirklichkeit
Auf dem Weg ins Büro fotografiere ich weiterhin jeden Tag, und finde fast immer irgendein Motiv. Durch mein Mal- und Zeichen-Experiment hat sich mein Blick auf Fotomotive aber noch einmal deutlich verändert. Das heißt nicht, dass ich Ihnen jetzt empfehlen würde,  mit dem Zeichnen anzufangen. Aber wenn Sie mich zum Lachen bringen wollen, dann erzählen Sie mir, dass Sie keine Zeit zum Fotografieren haben. Überlegen Sie sich, was es wirklich ist. Haben Sie nicht die Muße dazu, oder keine rechte Lust? Brauchen Sie den Applaus einer Fangemeinde, die Likes aus dem Internet, oder eine Gruppe Gleichgesinnter, um ins Tun zu kommen? Gehen Sie der Sache auf den Grund, und finden Sie heraus, welche Rahmenbedingungen Sie zum Fotografieren brauchen. Wenn Sie das wissen, können Sie sich Ihr Leben vielleicht so einrichten, dass Sie mehr Zeit, Lust und Laune für Ihre kreativen Beschäftigungen bekommen. Meine kreative Muse küsst mich am liebsten, wenn ich allein und ungestört bin.
Ein Nachbar, den ich lange nicht getroffen hatte, sagte neulich zu mir: "Du siehst aber erholt aus. Warst Du im Urlaub?" Nein. Ich war nur lange nicht im Internet. 😃

Weiterführende Links: 
Jackson Pollock (Wikipedia)

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