Immer wieder die gleichen Motive fotografieren, die man direkt vor der Haustür findet: die meisten Leute finden das ziemlich langweilig.
"Normalverbraucher" schütteln regelmäßig den Kopf, wenn sie mich sehen. Noch ein Foto und noch eins und noch eins? Was soll denn das?
Fotografieren? Ja, im Urlaub, wenn man eine tolle Reise macht und Plätze besucht, wo man nie wieder hinkommen wird. Oder bei Hochzeiten oder ganz besonderen Ereignissen. Aber wieso sollte man in der eigenen Heimatstadt einen Brunnen fotografieren? Oder gar die Nürnberger Burg! Die steht da IMMER, man kann also jederzeit hingehen, das Motiv angucken und sich vergewissern, dass alles immer noch genauso aussieht, wie man es seit jeher kennt.
Das sind gute Argumente, aber ich habe schon erlebt, dass Dinge verschwunden sind, und dass sich die Welt verändert. Wer zudem vom "Fotovirus" befallen ist, der lässt sich nicht so einfach ausbremsen. Ja, es gibt viele langweilige Fotos von scheinbar langweiligen Motiven. Die meisten Fotos, die "Normalfotografierer" von ihren Urlaubsreisen mitbringen, sind leider auch ziemlich langweilig. Machen wir uns nichts vor: 90% aller fotografierten Bilder sind nur für die Leute interessant, die das Foto selbst gemacht haben, die auf dem Foto drauf sind, oder die unmittelbar am Geschehen beteiligt waren.
Von den restlichen 10% aller Bilder sind 1% wirklich überirdisch gut. Die gewinnen dann auch bei Wettbewerben.
Die Kunst oder die Herausforderung beim Fotografieren ist, das Motiv im Foto nicht langweilig aussehen zu lassen.
Je mehr Bilder jemand schon selbst gemacht oder gesehen hat, desto schwieriger wird es. Es kommt schon mal vor, dass man seine eigenen Bilder langweilig findet. Man kennt seinen eigenen Blick auf die Welt nur zu gut. Da gibt es wenig, womit man sich selbst überraschen könnte. Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner, die Fotos von anderen wirken oft viel interessanter. Ein Foto ist immer ein Blick auf die Welt durch die Augen eines (anderen) Fotografen, und das kann auch sehr inspirierend sein.
Die Karl-Valentin-Statue am Münchner Viktualienmarkt haben wir bei unseren Exkursionen schon häufiger fotografiert. Heute war sie mir wieder ein Foto wert, zum einen, weil "die Hand vom Karl" letztes Jahr verschwunden war. Und zum anderen, weil der arme Karl heute vermutlich gerne Handschuhe gehabt hätte. 😅
Der Brunnen sieht also nicht immer gleich aus. Auch die Blumensträuße, die die Marktfrauen jede Woche neu stiften, und den Figuren in die Arme legen, sind stets einen Blick wert. Wenn Sie also nächstes Mal über den Viktualienmarkt eilen, bleiben Sie einen Moment stehen, und schauen Sie mal nach, was sich seit dem letzten Besuch verändert hat. 😊
Anmerkung 2020: Mittlerweile ist durch die Smartphone-Fotografie eine Bilderflut entstanden - man könnte sagen, es wird viel zuviel fotografiert und viel zu wenig hingeschaut... Darum geht es mir eigentlich. Fotografieren bedeutet für mich immer Hinschauen, Beobachten, Wahrnehmen - und nicht einfach nur Motive sammeln wie Briefmarken.
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