Vor ein paar Tagen habe ich dieses Bild meinen Facebook-Freunden gezeigt und bekam dazu sehr viele Rückmeldungen. Weil ich gerade erheblich mehr Fotos mit dem Smartphone mache als normalerweise, kam sogar die Frage, ob ich vielleicht gerade an einem Buch über Smartphone-Fotografie arbeiten würde. Nein, das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: ich beschäftige mich gerade wieder mit den "Grundlagen", das ist mein Dauerbrenner-Thema. Es klingt langweilig, aber hier wurde mir wieder einmal klar, wie elementar wichtig dieses (uah gähn) Grundwissen ist, selbst oder gerade für Handyfotografen.
Dieses Bild ist letzten Freitag auf dem Nachhauseweg entstanden. Ich saß in der S-Bahn, hätte nur meine Lumix rausholen müssen und hätte "richtig" fotografieren können. Trotzdem habe ich mein Smartphone benutzt. Dafür gibt es zwei Gründe: erstens will ich gründlich ausprobieren, in welchen Situationen sich diese Immerdabei-Kamera ordentlich schlägt, und wann ich sie besser ruhen lasse.
Zweitens hätte ich mit der großen Kamera die extremen Spiegelungen auf den Fensterscheiben viel schlechter vermeiden können. Das platte Smartphone konnte ich direkt an die Scheibe halten und die Kamera dadurch auch gegen Verwacklungen besser stabilisieren.
Auf die Belichtungszeit habe ich bei meinem Handy (noch) keinen Einfluss, darum musste ich erst einmal testen, wie stark die Wischeffekte sind. Je nachdem, wie schnell die S-Bahn fährt, wie weit das Motiv von der Kamera (egal welcher) entfernt und wie hell es draußen ist, desto stärker sieht man unscharfe und verwischte Bereiche im Motiv. Die genauen Belichtungsdaten, die weiter unten angegeben sind, habe ich erst im Nachhinein aus den Exif-Daten ermittelt.
Faustregel beim Fotografieren aus Bussen, Bahnen und dergleichen
Langsame Reisegeschwindigkeit
große Entfernung / große Helligkeit >
weitgehend scharfe Bilder.
Große Geschwindigkeit /
geringe Entfernung / wenig Licht > Unschärfe.
Der Autofokus hat mitunter Probleme auf die schnell vorbeiziehenden Objekte scharfzustellen. Wenn man seitlich aus dem Fenster fotografiert, sieht man auch nicht, ob in der nächsten Sekunde ein Strauch, ein Zug oder ein Mast in unmittelbarer Nähe vorbeizischen werden. Wird im falschen Moment ausgelöst bekommt man halb verdeckte Motive oder komplett verwischte Bilder. Es kann auch ganz spannend sein, wenn der Zufall mitgestaltet, darum gilt die Devise: viele Bilder machen. Meine Mitreisenden haben vermutlich gedacht "Die spinnt", aber sei's drum.
Ursprünglich hat mich der tiefschwarze Gewitterhimmel zum Fotografieren
animiert. Während sich die S-Bahn dem Hauptbahnhof näherte, kamen diverse
Züge als interessanter Blickfang infrage. Dadurch veränderte sich die
Aufnahmesituation noch einmal ganz massiv.
1/17 s bei ISO 640 |
Als ich in Fürstenfeldbruck losfuhr, hatte ich eine (durch die S-Bahn) bewegte Kamera, mit der ich eine relativ weit entfernte, statische Landschaft und den Himmel aufnehmen wollte.
Bilder mit Wischeffekt hatte ich erwartet, weil es aber noch relativ hell war, wurden die Fotos schärfer als gedacht - eine Folge der Belichtungszeit (1/100 s bei ISO 50) und der Abstände. Im Ergebnis ist vor allem der für die Kamera "unendlich weit" entfernte Himmel am schärfsten, das Feld und die Bäume im Hintergrund sind einigermaßen scharf, der nahe Vordergrund verwischt am stärksten.
Weil mir die Farbkomposition insgesamt zu unruhig war, und die markante Linie, die das Rapsfeld von der Wiese trennt, genau durch die Bildmitte läuft, habe ich das Foto nachträglich auf das 16:9 Format reduziert. Dadurch entspricht es gestalterisch der Drittelregel und enthält außerdem nur noch drei Hauptfarben - die Drei-Farben-Regel lässt grüßen.
Kurz vor der Ankunft am Hauptbahnhof lautete die Aufgabe "bewegtes Motiv vor statischem Hintergrund mit bewegter Kamera aufnehmen". Das ist richtig komplex, denn jetzt kommt es natürlich darauf an, wie schnell sich der andere Zug bewegt und in welche Richtung er fährt. Fährt er in die Gegenrichtung, kommt es zu einer sehr starken Verwischung. Fährt er in die gleiche Richtung und vielleicht noch genauso schnell wie die eigene S-Bahn, dann kommt so etwas dabei heraus:
Der Zug ist scharf, weil er sich relativ zur fahrenden S-Bahn nicht bewegt. Dass es hier so aussieht, als würde ein Zug von links nach rechts fahren, ist nur eine optische Täuschung, weil das Zugende genauso aussieht, wie das Cockpit. Nach dem gleichen Prinzip ist die Aufnahme ganz oben entstanden. Auch hier war der rote Zug etwa genauso schnell unterwegs wie die S-Bahn, in der ich saß.
Der Hintergrund und die Wolken verwischen im letzten Foto stärker, weil es zu diesem Zeitpunkt schon deutlich dunkler war als zu Beginn der Reise. Die Belichtungszeit (1/17 s bei ISO 160) war länger, hat aber ausgereicht, um den Zug noch scharf abzubilden. Eingestellt habe ich an meinem Smartphone gar nichts. Es war das Wissen um diese Zusammenhänge, das mir bei diesen Fotos weitergeholfen hat - Grundlagen eben. In meinen Büchern erkläre ich das alles ganz ausführlich. Was man sonst noch braucht sind eine Portion Experimentierfreude und ein voller Akku.
Preisfrage:
Wenn im Bild das Cockpit eines von links nach rechts fahrenden Zuges zu sehen wäre, in welche Richtung müsste sich die S-Bahn des Handyfotografen bewegen, um diesen Effekt zu bekommen?
Und weil wir schon dabei sind: Wenn Sie an einer Bahnstrecke stehen und ein Foto aufnehmen wollen, das in Etwa aussieht wie das obige, was müssen Sie dann tun?
Wenn im Bild das Cockpit eines von links nach rechts fahrenden Zuges zu sehen wäre, in welche Richtung müsste sich die S-Bahn des Handyfotografen bewegen, um diesen Effekt zu bekommen?
Und weil wir schon dabei sind: Wenn Sie an einer Bahnstrecke stehen und ein Foto aufnehmen wollen, das in Etwa aussieht wie das obige, was müssen Sie dann tun?
Der Hintergrund und die Wolken verwischen im letzten Foto stärker, weil es zu diesem Zeitpunkt schon deutlich dunkler war als zu Beginn der Reise. Die Belichtungszeit (1/17 s bei ISO 160) war länger, hat aber ausgereicht, um den Zug noch scharf abzubilden. Eingestellt habe ich an meinem Smartphone gar nichts. Es war das Wissen um diese Zusammenhänge, das mir bei diesen Fotos weitergeholfen hat - Grundlagen eben. In meinen Büchern erkläre ich das alles ganz ausführlich. Was man sonst noch braucht sind eine Portion Experimentierfreude und ein voller Akku.
Nun überlege ich, ob ich mir eine App installiere, mit der ich am Smartphone die Belichtungszeit genauso steuern kann, wie ich es von meinen anderen Kameras gewohnt bin. Camera FV-5 sieht ganz vielversprechend aus, will dafür aber den Zugriff auf meine Identität, meine Kamera, meine Mediendateien und meinen Standort. Das will ich nun wieder nicht. Genau diese Dinge sind es, die mir das Fotografieren mit dem Smartphone verleiden.
Wer jetzt noch ein Buch braucht: Simone Naumann und Ulrich Dorn haben Ihr Knowhow über Smartphonefotografie hier zusammengetragen (Amazon). Darin finden sowohl iPhone- wie auch Android-Benutzer viel Wissenswertes.
Liebe Jacqueline, vielen Dank für den interessanten Beitrag. Werd ich mit dem Smartphone auch mal versuchen, mit der "Großen" hab ich da auch schon viel experimentiert.
AntwortenLöschenAls App benutze ich gerne Open Camera, braucht halt die Berechtigungen genauso wie z.B. Camera FV-5 (was ja auch nachvollziehbar ist).
Immer wieder schön, deine praxisbezogenen Beiträge zu lesen ;-)
Liebe Grüße! Georg
Lieber Georg,
AntwortenLöschenschön von Dir zu lesen - freut mich. Ja, viel Spaß beim Experimentieren. Lass gerne eine Nachricht da, wenn es bei Dir Ergebnisse zu bewundern gibt!
Herzliche Grüße,
Jacqueline