Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, als ich im Sommer den Vorschlag machte ein Handbuch zur Nikon Coolpix P1000 zu schreiben. Diese "Kamera, die ein Teleskop sein könnte" ist zwar eine Bridgekamera, aber sie ist klobig, sperrig und schwer. Sie ist so ein fetter Bomber, dass man damit sofort auffällt und angesprochen wird. Damit ist sie also genau das Gegenteil von dem, was ich normalerweise bevorzuge. Und jetzt kommt das große ABER: sie ist irgendwie geil. Verzeihen Sie mir diesen Ausdruck, aber mir fällt gerade nichts Besseres ein.
Bleiben wir für einen Moment bei den Nachteilen und häufig erwähnten Kritikpunkten.
- Schwer heißt: die Kamera wiegt fast 1,5 kg (1.419 g)Das bin ich einfach nicht mehr gewohnt. Zwei Stunden mit der P1000 fotografieren und Sie brauchen einen Termin beim Masseur, der Ihre Oberarm- und Rückenmuskulatur lockert. Wer mit einer Vollformat-Spiegelreflexkamera und einem hochwertigen Teleobjektiv fotografiert, kann da nur müde lächeln: Ein Spiegelreflexgehäuse bringt ohne Optik 700-950g auf die Waage und gute Objektive sind immer schwer. Das Canon EF 70-200mm 1:2,8 L IS II USM bringt es allein auf anderthalb Kilo. Gewicht ist also nicht unbedingt ein Argument gegen die P1000. Rechnen wir testweise zusammen, was die verschiedenen Objektive kosten würden, die man bräuchte, um den an der P1000 verfügbaren Brennweitenbereich abzudecken, dann ergibt sich für die P1000 ein ausgesprochen gutes Preis-Leistungsverhältnis.
- Klobig heißt: Die P1000 ist nur unwesentlich größer als eine DSLR, aber mit voll ausgefahrenem Zoom (3000 mm) muss man sich nicht wundern, wenn man von Passanten nach dem Waffenschein gefragt wird... ;-)
- Teuer heißt: 1.099 EUR NeupreisOb etwas teuer ist, ist immer Ansichtssache. Für das, was die P1000 bietet, finde ich den Preis okay. Warum?
Die Abbildungsleistung des oben erwähnten Canon Objektivs ist eindeutig besser, da beißt die Maus keinen Faden ab, dafür kostet es auch knapp 2.000,- EUR (ohne Kamera) und ist ein reines Telezoom (70 - 200 mm). Das Objektiv der P1000 deckt einen Brennweitenbereich von 24 bis 3000 mm ab und das ist kein Schreibfehler! Nahaufnahmen sind im Weitwinkelmodus mit 1 cm Abstand zum Motiv möglich, man spart sich also das Makroobjektiv. An anderen Ende des Brennweitenspektrums kommt man an Motive heran, für die man extrem teure und sehr schwere Spezialobjektive bräuchte, wenn es sie denn überhaupt für das eigene Kameramodell gibt.
Die P1000 hat einen eigenen Kameramodus für Mondaufnahmen, das heißt man kann selbst als ungeübter Fotograf gestochen scharfe, formatfüllende Bilder unseres Erdtrabanten machen - aus der Hand. Sicher kann man argumentieren, ob und wie oft man so eine Funktion braucht. Ein Mondfoto ist wie das andere, so ein "Spezialfeature" nutzt sich nach der ersten Begeisterung schnell ab. Denken wir also eher in Richtung Tier- und Sportfotografie, denn auch dort sind die extrem langen Brennweiten gefragt. Geht das mit der P1000? Ich würde sagen ja.
600 mm | 1/80 s | f5,6 | ISO 400 - Sensorgröße heißt: CMOS-Sensor 1/2,3" 6,2 x 4,6 mm (Cropfaktor 5,6)Das ist ein Schwachpunkt: Ein kleiner Sensor liefert keine besondere Schärfe und Detailgenauigkeit, bei schwachem Licht entsteht stärkeres Bildrauschen und die Fotos werden nicht so klar und brilliant. Hinzu kommt, dass die P1000 nur im Weitwinkelbereich eine Anfangsöffnung von f2,8 hat, mit zunehmender Brennweite reduziert sich die Lichtstärke sehr schnell und bei f8 ist schon Schluss.
Es stellt sich also die berechtigte Frage, ob man mit so einer Kamera überhaupt richtig fotografieren kann, oder ob man von den Bildergebnissen nicht maßlos enttäuscht sein wird. Das hängt wie immer von den persönlichen Ansprüchen ab.
Sport- und Tierfotografen dürften dieses Phänomen allerdings auch kennen. Schauen Sie bei der nächsten Fußballübertragung mal an den Spielfeldrand, wo die Profis mit den langen Objektiven sitzen. Von Passanten wird der Wert (Preis) der Kamera wohl auch deshalb maßlos überschätzt.
"Size matters"... oder: es kommt auf den Einsatzzweck an. |
Klar ist, dass die P1000 keine "Profikamera" ist und sicher auch kein "Immerdabei"-Modell, das sich für alle Lebenslagen eignet. Für mich lautet deshalb die Frage: für wen ist sie interessant und was muss man beachten, wenn man sie benutzt?
Der erste Praxistest
Meine vorbestellte P1000 ist immer noch nicht lieferbar, aber durch eine wirklich glückliche Fügung hat sich Anfang der Woche eine Frau bei mir gemeldet, die die P1000 seit vier Wochen hat - tu felix Austria, kann ich da nur sagen! Wir haben uns im Tierpark verabredet und danach hat sie mir ihre nagelneue P1000 für zwei Tage geliehen, damit ich schon mal mit dem Buch anfangen kann. Heike, das werde ich Dir nie vergessen!
Schritt 1: MuskelaufbauSchwaches Licht im Zoo, beschlagenes Objektiv - die P1000 schlägt sich gut. (Klick aufs Bild für größere Ansicht) |
Mein erster Fotospaziergang war anstrengend wie das Hanteltraining im Fitnessstudio! Deshalb weiß ich auch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich mein Körper an die neuen Trainingseinheiten gewöhnt hat. Die Kamera zwischendurch immer wieder absetzen und die Arme ausschütteln tut not, aber das Training ist interessant und kurzweilig. Obwohl ich ein Einbeinstativ habe, werde ich erst mal ohne dieses nützliche Hilfsmittel mit der P1000 fotografieren.
Schritt 2: Training der Feinmotorik
Bisher war ich Brennweiten bis 600 mm gewohnt. Ab 1000 mm Brennweite wird es richtig schwierig, den Bildausschnitt freihändig exakt zu gestalten. Jede noch so kleine Bewegung führt dazu, dass der Bildausschnitt verrutscht, mitunter sehr stark. Je stärker man zoomt, desto schwieriger wird es beim Auslösen die Kamera in Position zu halten. Das gilt umso mehr für Aufnahmen im Hochformat, hier machen sich die 1,5 Kilo Gewicht besonders unangenehm bemerkbar. Das muss man üben und dabei die Atemtechnik wie ein Scharfschütze perfektionieren. Meine ersten Bilder mit +1000 mm Brennweite sind deshalb eher mittig gestaltet. Bei 16 Megapixel Bildauflösung (4.608 x 3.456 Pixel (4:3)) bleibt genug Luft, um das Motiv im Bildbearbeitungsprogramm zurechtzurücken. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis man sich an diese neue Situation gewöhnt hat.
3000 mm - beim Auslösen die Kamera verrissen... Übungssache! |
Schritt 3: Staunen
Wenn man eine Kamera mit einem so starken Telezoom hat, dann ist man automatisch geneigt, diese Brennweite auch auszunutzen. Motive in unmittelbarer Nähe hat man ja schon zuhauf fotografiert, jetzt wird auf alles gezoomt, was man vorher nie erreichen konnte. Wie gut das funktioniert hat mich gleich auf den ersten Metern beeindruckt. Warum ein Makro aus geringer Distanz fotografieren, wenn man eine Hagebutte auch mal mit 3000 mm aufnehmen kann? Die winzige Spinne (2mm) in ihrem Netz habe ich erst im elektronischen Sucher gesehen. Ich habe versucht, sie anschließend mit dem Makromodus zu fotografieren, aber das hat nicht geklappt, weil der Bildwinkel bei 24 mm Brennweite viel zu groß war.
Maximaler Zoom: 3000 mm, Distanz zum Motiv 10 Meter (!) Modus S, 1/640 s | f8 | ISO 500 | -2 LW |
"Normal" fotografieren geht auch: 24 mm | 1/500 s | f2,8 | ISO 100 |
Mein erster Eindruck nach zwei Tagen
Die P1000 eröffnet ganz neue Horizonte. Ich schaue anders. Motive in großer Entfernung werden plötzlich interessant und ich sehe Dinge, die ich vorher mit bloßem Auge gar nicht sehen konnte. Sie lassen sich sogar (unbemerkt) fotografieren, wie die scheuen und übervorsichtigen Krähen, die weit oben im Baumwipfel sitzen, und überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass ich sie im Visier habe.
Ich wollte es nur ausprobieren... |
Das nächste Aha-Erlebnis hatte ich kurz vor Sonnenuntergang, als ich mit 575 mm Brennweite und einer halben Sekunde Belichtungszeit aus der Hand im schummrigen Licht eine Aufnahme von fließendem Wasser gemacht habe. Die Tropfen auf den Blättern waren immer noch scharf, der Bildstabilisator ist sensationell gut. Die Sorge, dass die Kamera den ISO-Wert beim Zoomen sehr schnell nach oben ziehen würde, hat sich nicht bestätigt. Bis 2000 mm Brennweite sehen die Bilder - der Kameraklasse/Sensorgröße entsprechend - gut aus, bei ausreichender Helligkeit sogar sehr gut.
575 mm | Modus S | 1/2 s | f8 | ISO 100 |
Bei Available Light Aufnahmen im Dunkeln kommt man an die Grenzen, da sollte man gar nicht erst zoomen. Die Programmautomatik reagiert nicht wie bei anderen Kameras, die auf eine moderate Belichtungszeit (1/25 s oder 1/10 s) und einen hohen ISO-Wert (3200) setzen. Die P1000 verlängert die Belichtungszeit gnadenlos auf eine halbe oder eine Sekunde und hält den ISO-Wert niedrig.
Wechselt man zum Modus S und den gewohnten Belichtungszeiten wird man
mit starkem und sehr unschönem Bildrauschen bestraft (ISO 1600). Trotz der sehr
guten Bildstabilisierung ist man gezwungen zum Stativ zu greifen. Das
ist für mich persönlich schade, aber diese Programmierung ist konsequent
und richtig, weil sie Bequemlichkeit unterbindet und Bildqualität
erzwingt.
(Lesen Sie dazu das Update: Available Light mit der P1000)
Bewegungen erkennt der Autofokusmodus AF-F sehr gut, er stellt sogar unter schwierigen Bedingungen noch korrekt auf bewegte Motive scharf.
Der elektronische Sucher ist gut, war aber viel zu hell eingestellt. Das hat mich anfangs dazu verleitet, die Aufnahmen unnötig in der Belichtung zu korrigieren. Der Sucher und der Monitor lassen sich aber in der Helligkeit regulieren. Ebenfalls neu ist für mich der Umstand, dass die JPEG-Dateien aus der Kamera sehr gut aussehen und dass ich bei der RAW-Verarbeitung in Lightroom noch Anlaufschwierigkeiten habe. Der erste Firmware-Update zur P1000 ist bereits da, dabei wurden Korrekturwerte für NRW-(RAW-)Daten verändert...
Jetzt gibt es also viel zu tun und ich freue mich auf die nächsten Wochen mit der P1000. Wegen der Lieferverzögerung ist der Erscheinungstermin des Handbuchs voraussichtlich März 2019.
(Lesen Sie dazu das Update: Available Light mit der P1000)
24 mm | Modus P | 0,8 s | f2,8 | ISO 800 |
Bewegungen erkennt der Autofokusmodus AF-F sehr gut, er stellt sogar unter schwierigen Bedingungen noch korrekt auf bewegte Motive scharf.
1300 mm | Modus S 1/500s | f5,6 | ISO 250 |
Der elektronische Sucher ist gut, war aber viel zu hell eingestellt. Das hat mich anfangs dazu verleitet, die Aufnahmen unnötig in der Belichtung zu korrigieren. Der Sucher und der Monitor lassen sich aber in der Helligkeit regulieren. Ebenfalls neu ist für mich der Umstand, dass die JPEG-Dateien aus der Kamera sehr gut aussehen und dass ich bei der RAW-Verarbeitung in Lightroom noch Anlaufschwierigkeiten habe. Der erste Firmware-Update zur P1000 ist bereits da, dabei wurden Korrekturwerte für NRW-(RAW-)Daten verändert...
Jetzt gibt es also viel zu tun und ich freue mich auf die nächsten Wochen mit der P1000. Wegen der Lieferverzögerung ist der Erscheinungstermin des Handbuchs voraussichtlich März 2019.
Hallo, ich habe gerade Ihren Bericht über die Nikon Coolpix P 1000 gelesen. Ich besitze diese Kamera seit Mai 2020 und bin auch sehr zufrieden damit. Jetzt hätte ich eine Frage an Sie. Kann man im Modus BULB oder TIMER die Zeit für Aufnahme verlängern. Es ist schade das die kamera sich nach 60 Sekungen ausschaltet. Entweder bin ich dusselig dafür, oder es geht wirlich nicht. Haben Sie eine Idee wie ich die Zeit verlängern kann. Wir machen öfters Nachts an der Autobahn Langzeitbelichtung. Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr sehr dankbar. MfG Elona
AntwortenLöschenLiebe Elona,
AntwortenLöschennein, Sie machen alles richtig. Die maximale Aufnahmedauer in den Modi M und B (Bulb) ist kameraseitg auf 60 Sekunden begrenzt.
Viele Grüße,
Jacqueline Esen
Guten Morgen Jaqueline,
AntwortenLöschenvielen Dank für die schnelle Antwort. Ansonsten bin ich mit der Kamera sehr zufrieden. Man kann eben nicht alles haben. Ich werde dann für die Langzeitbelichtung meine Nikon D500 benutzen.
MfG
Elona
Guten Tag
AntwortenLöschenIch habe soeben den Bericht über die P1000 gelesen. Ich reise demnächst nach Island und bin unschlüssig, ob ich die Fotos mit der P1000 anschliessend ausdrucken kann aufgrund der Bildqualität. Wie sehen Sie das? Oder wäre eine Canon EOS R100 mit einem 400er Zoom Objektiv besser geeignet? Ich möchte sehr gerne mehr Vögel fotografieren.
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Die Bildqualität / Auflösung der EOS R100 ist der der P1000 grundsätzlich überlegen:
LöschenEOS
CMOS-Sensor APS-C 22,5 x 15,0 mm (Cropfaktor 1,6)
25,5 Megapixel (physikalisch) und 24,2 Megapixel (effektiv)
Coolpix
CMOS-Sensor 1/2,3" 6,2 x 4,6 mm (Cropfaktor 5,6)
16,8 Megapixel (physikalisch), 16,0 Megapixel (effektiv)
Das heißt man kann bei Aufnahmen aus der EOS Bildausschnitte machen, wenn die Motive nicht formatfüllend fotografiert werden konnten. Ein 400 mm Objektiv ist für Aufnahmen von Vögeln in freier Wildbahn das Minimum an Brennweite. Mit dem langen Zoom der P1000 kommen Sie sehr viel näher ran.
Drucken kann man die Bilder auf jeden Fall, die Frage ist in welcher Auflösung/Größe, und auf welchem (professionellen) Niveau Sie arbeiten (Wettbewerb, Buchdruck, Werbung, Bildagentur > EOS; für private Zwecke - auch anspruchsvolle - eignet sich die P1000 durchaus). Das Gewicht und Volumen der Kamera sind allerdings beachtlich: Ich würde nicht ohne vorheriges Training damit in den Urlaub fahren, und bei einer Wander-Trekking-Tour lieber weniger Gewicht dabei haben.
Eine Alternative zur P1000 wäre die P900 als Zweitkamera zur EOS. :-)
Vielen Dank für Ihre schnelle Rückmeldung :-)
LöschenIch würde sie eher nur für private Zwecke nutzen. Habe mir auch gerade überlegt die P950 zu kaufen. ;-)
Ich bin eben im Besitz einer Nikon D3100 und einem Zoomobjektiv bis 300. Daher wäre die P950 in etwa so schwer wie die Nikon. Wahrscheinlich werde ich mir für den Urlaub die P950 zulegen und als längerfrisitige Investition eine Nikon Z7 oder Canon R oder ähnlich anschaffen.
Merci :-)
Liebe Grüsse Sara
Klingt gut - und eine wunderschöne Reise nach Island, mit vielen tollen Motiven! :-)
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LöschenKlingt gut - und eine wunderschöne Reise nach Island, mit vielen tollen Motiven! :-)