Freitag, 15. Februar 2019

Rudel-Shooting

Im Artikel über den Sony Alpha Day hatte ich in einem Nebensatz erwähnt, dass ich noch einmal etwas über das "Getümmel an Workshop-Sets" berichten wollte. In Fotografenkreisen bezeichnet man solche Veranstaltungen gerne als "Rudel-Shootings". In meinen frühen Fotojahren habe ich solche Gelegenheiten gerne genutzt und für Kameratests sind sie immer ein probates Mittel. Wer wirklich lernen will, wie man im Studio arbeitet, sollte sich aber einen Workshop gönnen, bei dem die Teilnehmerzahl auf eine möglichst kleine Gruppe begrenzt ist.

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Der Vorteil von Massenveranstaltungen wie bei der Photokina oder Produktmessen besteht darin, dass man in der Anonymität des Rudels gut untertauchen und herumexperimentieren kann. Der Nachteil liegt klar auf der Hand: Man muss sich mit viel Geduld hinten anstellen, bis man freie Sicht aufs Modell hat. Je nachdem, wie das Licht gesetzt ist, gibt es für Fotograf und Modell oft nur eine Position, aus der eine perfekte Aufnahme möglich ist. Bewegt sich das Modell aus dem gesetzten Licht heraus oder fotografiert man schräg von der Seite, führt die Beleuchtung zu unschönen Schlagschatten. Ein Lichteffekt, den man in den Augen des Modells sehen sollte, entsteht dann gar nicht, oder er wirkt sich an der falschen Stelle aus. Fotografieren im Studio ist Präzisionsarbeit und es ist immer Teamwork.


Das Modell kann nur mit einem Fotografen direkten Blickkontakt aufnehmen und dessen Regieanweisungen folgen. Wenn zwanzig Fotografen gleichzeitig um die Aufmerksamkeit buhlen, ist das wie bei einer Veranstaltung auf einem roten Teppich - man braucht Glück oder eine laute Stimme. Erfreulicherweise geht es an den Workshop-Sets meistens gesittet zu. Jeder ist mal dran, dann tritt man beiseite und macht Platz für den nächsten Fotografen. Wer aus der zweiten oder dritten Reihe fotografiert, muss damit rechnen, dass er den Hinterkopf, den Ellenbogen oder die Schulter eines Mitfotografierenden mit ins Bild bekommt. Das wissen alle, darum ist es auch kein Problem.

Die Fotomodelle leisten am Set harte Arbeit! 
Sie müssen oft stundenlang stehen, immer wieder in unbequemen Posen verharren und dabei immer hübsch lächeln und freundlich bleiben.

Das zweite Workshop-Set beim Sony Alpha Day war eine noch größere Herausforderung: Zunächst wurden die ausgebreiteten Arme des Modells mit Mehl eingestäubt. Der Fotograf zählte bis drei, dann vollführte das Modell einen Sprung und schlug dabei die Hände über dem Kopf zusammen. Dadurch entstand jedes Mal eine eindrucksvolle Staubfontäne, die im Licht der Studioblitzanlage vor dem schwarzen Hintergrundstoff für einen tollen Effekt sorgte. Machen Sie das mal mehrere Stunden lang...


Studioblitzanlage heißt: Kamerabetrieb im Modus M
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Die Workshopleiter bereiten ihre Sets optimal vor, teilen den Fotografen mit, worauf es bei der jeweiligen Lichtsetzung ankommt und welche Kameraeinstellungen für die Aufnahme nötig sind. Sobald eine Studioblitzanlage im Spiel ist, bekommt immer nur ein Fotograf die Möglichkeit, eine perfekte Aufnahme zu machen. Aus diesem Grund sind die VIP-Tickets begrenzt und ganz schnell ausverkauft. 


Die Blitzanlage wird entweder per Kabel oder per Funk gesteuert und nur die Kamera, die mit der Anlage verbunden ist, löst den Blitz für die Aufnahme aus. 
Weil die Belichtung im Modus M eingestellt werden muss, sollte man wissen, wie das geht. Natürlich hilft der Workshopleiter notfalls mit, aber bei solchen Massenveranstaltungen hält Unkenntnis den ganzen Betrieb unnötig auf. Auch für den Anfänger am Set ist es unangenehm: Fünfzig andere Fotografen warten schon darauf, bis sie an der Reihe sind und das Modell steht mit Mehl bestäubt in Warteposition für den Action-Sprung... das ist purer Stress.
Viele Sets sind bereits mit dem Einstelllicht der Studioblitzanlage so hell ausgeleuchtet, dass man es riskieren kann, von der Seite mitzufotografieren. Perfekte Aufnahmen darf man dann aber nicht erwarten.

Wer ist der Künstler?
Das Schöne an solchen Workshopaufbauten ist, dass man sich als Teilnehmer nur ums Fotografieren kümmern muss. Der Veranstalter und/oder die Workshopleiter organisieren die Räumlichkeiten, die Modelle, die Visagisten und die Studioausrüstung. Sie schleppen alles rein und raus, bauen alles auf und wieder ab. Sie bringen die Idee mit und sorgen dafür, dass die Lichter, die Modelle und die Fotografen an der richtigen Stelle stehen.


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Das Lumix-Model auf der Photokina 2016
Als Fotograf muss man nur noch die Kamera auf die vorgegebenen Werte einstellen und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken. So bekommt man exzellente Fotos, die man selbst nie hätte machen können. Dass Dutzende anderer Teilnehmer nahezu die gleichen Bilder mit nach Hause bringen, liegt in der Natur der Sache. Mir würde es schwerfallen, die Urheberschaft an so einem Bild mein eigen zu nennen.

Reinschmecken 
Die Massenveranstaltungen erfüllen einen ganz wichtigen Zweck: Sie machen Lust auf mehr, im Idealfall kurbeln sie den Umsatz für Kameras und Studio-Equipment an. Wenn man einmal erlebt hat, wie man mit der eigenen Ausrüstung unter optimalen Rahmenbedingungen überdurchschnittlich gute Fotos gemacht hat, ist der Wunsch groß, dieses Erfolgserlebnis zu wiederholen. Wie schwierig es dann tatsächlich ist, all diese Rahmenbedingungen selbst herzustellen, erleben die meisten, wenn sie das erste Mal ohne professionelle Hilfe mit einer Studioblitzanlage arbeiten. Das gilt auch für weniger aufwändige Studio-Sets mit Dauerlicht. Üben, üben, üben lautet auch hier die Devise. Wenn Sie sich für Studiofotografie interessieren und eigenes Equipment kaufen wollen, schauen Sie erst einmal bei Ebay nach. Die anfängliche Begeisterung schwindet schnell, wenn man jedes Mal alles aus dem Keller ins Wohnzimmer schleppen, aufbauen und danach alles wieder abbauen und verstauen muss. So landen gute Produkte oft auf dem Second-Hand-Markt.

Fotografieren bedeutet...
... dass man vor dem eigentlichen Shooting eine ganze Reihe von Dingen organisieren muss. Wenn man keine Möglichkeit hat, ein (Mini)Studio in den eigenen Räumlichkeiten einzurichten, kann man sich nach einem Mietstudio umsehen. Man braucht ein Fotomodell, einen Modellvertrag und vor allem braucht man ein paar Ideen, die man mit dem Modell tatsächlich umsetzen kann. Das sollte man vorher besprechen.
Damit wirklich gute Bilder entstehen können, will auch die Handhabung der Beleuchtung geübt sein. Besonders am Anfang ist es sinnvoll, jemanden dabei zu haben, der sich damit auskennt. Ein Assistent, der die Lampen minutiös an die richtige Stelle schiebt oder den Reflektor hält, ist Gold wert. Auch beim Posing sehen vier Augen mehr als zwei: Es spart Zeit, wenn sich ein/e Assistent/in um Haarsträhnen kümmert, die dem Modell ins Gesicht rutschen oder wenn unschöne Falten in der Kleidung auftauchen, um  nur zwei der vielen Möglichkeiten zu nennen. 
Als Porträtfotograf muss man nicht nur ein guter Beobachter sein, man ist auch Regisseur und Motivator in Personalunion. Deshalb wagen sich die meisten Fotografen zu Recht erst an dieses Genre, wenn sie ihre Kamera gut beherrschen. Erst dann hat man genug Aufmerksamkeitsreserven für all die anderen wichtigen Dinge, auf die es bei Porträts ankommt: Licht, Ausdruck und Pose.
Die Arbeit ist nach dem Shooting noch nicht beendet: Es folgen die Auswahl der besten Bilder und deren Bearbeitung. Das heißt zwangsläufig, dass man auch mit Photoshop und/oder Lightroom vertraut sein sollte - ein komplexes Thema.

Selber machen!
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Man kann Bücher lesen und Workshops besuchen, aber die eigenen Erfahrungen und die Fehler, die man in jedem fotografischen Genre zwangsläufig macht, sind die besten Lehrmeister. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen sondern eher anspornen.
Manchmal entdeckt man Fehler erst später oder wird von anderen auf Kleinigkeiten aufmerksam gemacht, für die man bisher noch gar kein Auge hatte. Das gehört zum Lernprozess, genau wie die Rudel-Shootings.  :-)

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