28 mm | 1/540 s | f1,9 | ISO 40 - Smartphone |
Für einen kurzen Moment hatte ich den aberwitzigen Gedanken, dass ich jetzt mal noch schnell 24 Fensterfotos für den Dezember heraussuchen, und jeden Tag ein fotografiertes Fenster posten könnte, damit sich hier mal wieder mehr tut. Aber wollen Sie im Weihnachtsmonat Dezember Fensterfotos aus dem ganzen Jahr sehen? Eher nicht. Das wäre vielleicht noch ein Eilprojekt für einen Jahreskalender 2023. Wenn Sie Ihr Bildarchiv gut verschlagwortet haben, finden Sie alle Ihre "Fenster" Fotos im Handumdrehen. 😉
Das Aufmacherfoto stammt aus dem Jahr 2017, aufgenommen in Fürstenfeldbruck bei den Fürstenfelder Fototagen, damals noch mit meinem alten (grottigen) Smartphone. Vielleicht waren Sie schon mal in FFB, und haben das schöne in Stein gemeißelte Fenster auch gesehen. Ich habe den Überblick verloren, ob es diese Fototage heuer wieder gab, für 2023 sind sie jedenfalls geplant, vom 14.-16.04.23 (mehr Infos bei glanzlichter.com).
Am obigen Foto habe ich in Lightroom ein bisschen herumgeschraubt:
- die Linien gerade gezogen und die Weitwinkelverzerrung herausrechnen lassen,
- die automatische(n) Tonwertkorrektur(en) angewendet und leicht nachjustiert, und
- die Farben ein bisschen aufgedreht: Etwas mehr Gelb für den Fensterrahmen, damit er sich von der gräulichen Wand deutlicher abhebt, und etwas angepasstes Blau für einen schöneren Kalt-Warm-Kontrast. Für diese Anpassungen nehme ich in Lightroom (LR) die Regler für Luminanz und Sättigung.
- In der Mitte der Fensterfläche sah man hinter der Glasscheibe noch einen Schalter an der Wand, den habe ich mit dem Reparaturpinsel wegretuschiert.
- Am Ende wird noch etwas nachgeschärft.
Schon ziemlich viel Korrektur für so ein einfaches Motiv, nicht wahr? Das ist der Zeitgeist. Wenn man in Bildbearbeitung geübt ist, geht das alles ratzfatz, man muss nur wissen, wo sich die verschiedenen Regler befinden und was welcher im Motiv bewirkt. Mein Tipp: Machen Sie keine Arbeit daraus, sondern experimentieren Sie spielerisch herum. Auf diese Weise bekommen Sie Übung, ohne dass es gleich super anstrengend wird. Wenn Sie eine Funktion überhaupt nicht verstehen, finden Sie bei Youtube eine Menge toller Tutorials.
Nun gibt es in Lightroom seit einiger Zeit neue "Tools" für das Maskieren von verschiedenen Bildbereichen, KI-gestützt. KI heißt "Künstliche Intelligenz". Ich habe das zufällig entdeckt, und war neugierig, wie und wie gut das funktioniert. Es hat mich fast umgehauen. Jetzt geht die Bearbeitung noch schneller und sehr viel differenzierter!
Testmotiv: Fenster weit oben am Haus mit Lampe innendrin, Wetter gruslig grau, Fotomotiv trist und verspiegelt.
Ihre Benutzeroberfläche in Lightroom kann etwas anders aussehen als auf diesen Screenshots, weil ich mit Lightroom Classic arbeite. Alle Bearbeitungen führe ich im Lightroom Modul Entwickeln aus.
Fotografiert habe ich das Motiv mit meinem (neuen) Smartphone, Zoom 135 mm (!) mit 1/20 s und f2,9 bei ISO 40. Diese Infos finden Sie im Modul Bibliothek unter Metadaten.
Schritt 1: Geraderichten und Zuschneiden
Durch die steile Aufnahmeperspektive von unten nach oben entstehen die üblichen stürzenden Linien, die man in so einem einfachen Fall mit der Funktion Transformieren Upright - Auto (Automatisches Geraderichten) mit einem Mausklick wegbekommt.
Anschließend habe ich den angeschnittenen Fensterrahmen oben aus dem Motiv entfernt, indem ich das ganze Bild mit dem Freistellen-Werkzeug etwas zurechtgeschnitten habe, symmetrisch mit dem Fenster in der Mitte. Dieses Werkzeug aktivieren Sie am schnellsten mit der Taste R auf der Tastatur.
Schritt 2: Grundeinstellungen
Bei trübem Wetter werden viele Motive grau und trist, da fehlt meistens etwas vom Weiß-Anteil, den LR hier gleich auf +50 hochgeschraubt hat.
Die Regler für Präsenz nutze ich auch ganz gerne, aber nur mit moderaten Einstellungen.
Probieren Sie es aus und schauen Sie, was mit Ihrem Motiv passiert. Es kann nichts kaputtgehen: unten rechts im Bedienfeld gibt es den Button Zurücksetzen, oder im Bedienfeld links das Protokoll, in dem sämtliche Arbeitsschritte aufgelistet sind, und schrittweise zurückgenommen werden können.
Tipp: Wenn Sie einen temporären Bearbeitungsstand gut finden und erst mal aufheben wollen, erstellen Sie von Ihrem Bild eine sogenannte "virtuelle Kopie". Die existiert erst mal nur in Lightroom, es ist keine echte Datei, bis Sie sie mit der Exportieren-Funktion als JPG (oder in einem anderen Format) ausgeben und auf der Festplatte speichern.
In dieser virtuellen Kopie bleiben Ihre Bearbeitungen in LR sichtbar, aber das Protokoll wird gelöscht. Anschließend können Sie entweder mit dem Originalbild oder mit der virtuellen Kopie weiter arbeiten und herumexperimentieren, und erst später entscheiden, ob und welche Bearbeitungsvariante Sie als echte Datei exportieren wollen. Dadurch sparen Sie sich im Gegensatz zu Photoshop und anderen Programmen tausend Kopien auf der Festplatte und den entsprechenden Speicherplatz. Lightroom speichert die Bearbeitungsinformationen automatisch mit dem Katalogdateien. Diesen Lightroom Katalogordner sollten (müssen) Sie grundsätzlich regelmäßig sichern und ein Backup davon anlegen.
Schritt 3: Feintuning
Manchmal muss man anschließend nochmal zurück zu den Grundeinstellungen, und dort noch einmal etwas nachsteuern.
Danach können Sie noch an den Farben drehen (Bedienfeld rechts), und mit Sättigung und Luminanz die einzelnen Farben aussteuern.
Normalerweise ist das mehr als genug für die Bearbeitung eines Fotos, aber bei manchen Motiven ist der Himmel zu hell, der Vordergrund zu dunkel, oder das Hauptmotiv hebt sich nicht so richtig vom Hintergrund ab... Das hätten Sie beim Fotografieren schon sehen und anders machen können, aber manchmal hat man halt keine Zeit oder Tomaten auf den Augen.
Jetzt kommt die KI ins Spiel
Bei meinem ersten Test wollte ich wissen, ob das Programm erkennt, dass ich das Fenster fotografieren wollte - oder ob es vielleicht nur die Lampe als Motiv wahrnimmt.
Als erstes müssen Sie auf den runden Böbbel rechts in der Leiste klicken, wo Sie auch das Freistellen-Werkzeug, den Reparaturpinsel und die Rote-Augen-Korrektur finden. Der Böbbel steht für Maskierung. Dann öffnet sich das hier gezeigte Auswahlmenü.
Klicken Sie danach auf den Button Motiv (oder Himmel oder Hintergrund) und lassen Sie die KI Ihr Motiv analysieren. Das kann ein bisschen dauern.
Der Bereich, den LR als Hauptmotiv identifiziert hat, wird jetzt mit einer rot gefärbten Maske angezeigt (links). Die Maskierungsfarbe kann man anders einstellen, was bei manchen Motiven Sinn macht, damit man genauer sieht, wo genau die Grenzen der Maske verlaufen.
Rechts sehen Sie bereits die "Nachher" Ansicht, in der ich nur das Fenster (also den maskierten Bereich) nachbearbeitet hatte: Mehr Farbe für die Lampe, mehr Kontrast und weniger diffuse Spiegelungen auf der Fensterscheibe.
Danach können Sie die Maskierung noch umkehren, und den Hintergrund oder hier die Fassade auch noch einmal individuell anpassen. Ein Neuanstrich in einer anderen Farbe wäre theoretisch möglich. 😁
Wie wird bearbeitet?
Bei aktivierten Masken öffnet sich rechts in im Bedienfeld ein Block mit Reglern, die Sie aus den Grundeinstellungen bereits kennen. Diese Regler wirken sich jetzt nur auf den jeweils maskierten Bereich aus, in meinem Fall das Fenster mit der Lampe.
Wenn Sie den Bereich fertig bearbeitet haben, klicken Sie auf Schließen (rechts unten)
Sie können mehrere Bereiche eines Motivs mit verschiedenen Masken
überlagern und die Bearbeitungen in beliebiger Komplexität miteinander
kombinieren... Da sind Ihrer Fantasie und Ihrem Spieltrieb keine Grenzen gesetzt, aber "weniger ist mehr".
Fangen Sie erst mal mit einem klaren Hauptmotiv an,
oder mit einem Foto, bei dem Sie den Himmel aufpeppen. Hier sehen Sie nochmal zwei Beispiele, bei denen ich die KI zur Motiverkennung eingesetzt habe. Der Schwan und der Himmel über dem Biergarten waren leichte Übungen. Bei weniger klaren Motiven muss und kann man die Maske mit den Funktionen Subtrahieren oder Hinzufügen zum Beispiel mit dem Pinselwerkzeug individuell an schwierige Formen anpassen.
Denken Sie vor dem Export der in Lightroom bearbeiteten Dateien noch daran, das Bild gegebenenfalls nachzuschärfen, und/oder die Rauschreduzierung anzuwenden. Entwickeln-Modul > rechte Leiste > Details.
Nur ein exportiertes Foto ist ein echtes Foto. Denken Sie immer daran, wenn Sie die schön bearbeiteten Bilder auf Ihrer Lightroom-Oberfläche sehen. Wenn Ihnen der Computer mal den Dienst verweigert, und Sie Ihre Dateien nicht exportiert haben, war die Mühe umsonst. Sichern Sie den Katalog regelmäßig und erstellen Sie davon ein Backup. Dann haben Sie auf dem nächsten oder neu augesetzten Rechner alles wieder griffbereit.
Ausprobiert und für gut befunden, ich verwende diese KI Maskierung inzwischen häufiger. Durch diese Möglichkeiten in LR greife ich für Korrekturen (noch) seltener auf Photoshop zurück. Für komplexe Bildmontagen und Collagen bleibt Photoshop mein Hauptprogramm. Ich muss aber gleichzeitig zugeben, dass ich vom Funktionsumfang beider Programme der sogenannten Creative Cloud auch nur einen Bruchteil der Möglichkeiten nutze. Dafür fehlen die Zeit und die Muße, aber durch mein "Bild im Bild" Projekt wird Photoshop wenigstens nicht ganz arbeitslos. Und wissen Sie was? Mir hat es heute richtig Spaß gemacht, mal wieder einen längeren Text zu schreiben. 😀
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