Mittwoch, 21. Juli 2021

Wundersame Vermehrung?

 

Der blaue Hand Schuh hängt immer noch am Zaun. Gut vier Wochen sind seit meinem Blogartikel über dieses verlorene Objekt vergangen, und es sind nicht etwa zwei blaue Handschuhe, es ist immer noch der eine. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass es sich um eine Montage aus zwei Bildern handelt. Der Handschuh hängt mittlerweile "andersherum" auf einem anderen Zaunspitz. Anscheinend bin ich nicht die Einzige, die sich um dieses kleine Detail am Wegesrand kümmert. 

Dass der Handschuh einen Zaunpfahl weiter gewandert ist, hatte ich nicht bemerkt. Erst als ich die beiden Einzelfotos am Bildschirm nebeneinander sah, kam die Idee, die Aufnahmen miteinander zu kombinieren.

Die Aufnahme links ist vom 5.7.21, die rechte vom 21.7.21. Aufgefallen war mir unterwegs, dass sich die "Fingerhaltungen" und die Position des Daumens verändert hatten. Das Beobachten geht dem Fotografieren voraus. Wie viele Details Sie dabei wahrnehmen, ist eine Frage des Trainings. Ob Sie etwas grundsätzlich fotografisch interessant finden oder nicht, ist absolut subjektiv. Da gibt es kein "gut" oder "schlecht", es ist Ihre freie Entscheidung. Lassen Sie sich da nicht dreinreden. Ob sich das von Ihnen ausgewählte Motiv nach klassischen Kriterien bildwirksam umsetzen lässt, und andere Menschen beeindruckt, sind andere Fragen, über die man lange referieren und diskutieren kann. Das geht am besten anhand von konkreten Beispielen. Es ist situationsabhängig und hat auch damit zu tun, wieviel Erfahrung Sie haben. Manchmal hat es auch mit der verfügbaren Ausrüstung zu tun.

Wann lohnt es sich ein Foto zu machen?

Auf Reisen oder in einer neuen Umgebung haben wir nur selten Probleme mit der Motivsuche. Alles ist neu und aufregend, wir sehen viel Futter für die Kamera. Wir sind entspannt, aufgeschlossen und schauen uns aufmerksam um. Im langweiligen Alltagstrott folgen wir eher unseren Gedanken, und nehmen die Umgebung nur halb bewusst wahr. Dieser Halbschlaf wird unterbrochen

  • wenn in einer hinlänglich bekannten Umgebung etwas völlig Neues auftaucht, 
  • wenn sich etwas Spannendes ereignet,
  • wenn Licht und Beleuchtung etwas bisher Unauffälliges visuell hervorheben, oder
  • wenn Sie bewusst in Ihren "Aufmerksamkeitsmodus" gehen, und gezielt nach etwas suchen.

 

Bei einem Langzeitprojekt kann man einfach stumpf jeden Tag zur gleichen Zeit ein neues Bild machen, und später schauen, was sich für die Serie eignet. Das Fotografieren lässt sich dabei sogar automatisieren: An den Lumix-Kameras gibt es die Zeitraffer-Funktion, die ich gelegentlich für sogenannte Timelapse-Videos nutze. Sie eignet sich eher für kürzere Abläufe, zum Beispiel ziehende Wolken am Himmel, oder Aufnahmen von Straßen- oder Hafenszenen, bei denen sich in einem Zeitraum von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden relativ viel bewegt. Für Zeitrafferaufnahmen von sehr langsamen Entwicklungen, zum Beispiel den Fortschritt an einer Großbaustelle, braucht man einen langen Atem: Immer wieder die gleiche Kameraposition, dieselbe Brennweite, derselbe Bildausschnitt, und möglichst ähnliche Lichtverhältnisse. Bei klassischen Langzeitprojekten können Sie sich mehr Spielraum geben, und bei Bedarf auch die Perspektive oder den Bildausschnitt ändern.

Die Bilder zu meinem Handschuh- und anderen Langzeitprojekten entstehen eher spontan. Sobald ich den subjektiven Eindruck habe, dass sich am Motiv genug verändert hat, um einen Unterschied zu den vorherigen Aufnahmen sehen zu können, fotografiere ich weiter. Dabei entsteht weniger Ausschuss als beim "mechanischen" Fotografieren nach Plan. Dass an diesen beiden Aufnahmetagen, die fast drei Wochen auseinander liegen, nahezu identische Lichtverhältnisse herrschten, war ein glücklicher Zufall. 

Beide Bilder sind in Lightroom mit den gleichen Entwicklungseinstellungen behandelt worden. Beim neueren Motiv habe ich den Bildausschnitt so angepasst, dass die Zaunpfähle in der Mitte zusammenpassen. Um die Bildmanipulation zu verschleiern, könnte man nun noch die harte Kante in der Bildmitte mit dem Kopierstempel bearbeiten, und so den Eindruck eines geschlossenen Hintergrunds erzeugen. Glauben Sie keinem Motiv, das Sie nicht selbst fotografiert und bearbeitet haben. 😉

Auch wenn Ihre fotografische Absicht "nur" darin besteht, etwas (Banales) zu dokumentieren: Versuchen Sie trotzdem nicht nur zu knipsen. Gestalten Sie Ihre dokumentarischen Aufnahmen durch Veränderungen von Aufnahmestandort, Blickwinkel, Brennweite, Bildausschnitt und bewusst gesetzte Fokuspunkte mit mehr oder weniger selektiver Schärfe. Betonen Sie das Wesentliche, machen Sie Total- und Detailaufnahmen, vielleicht auch mal ein Panorama. Gehen Sie die Sache spielerisch an, und probieren Sie Funktionen aus, auf die Sie sonst nur selten zurückgreifen. Ich folge derzeit dem Motto: Wenn ich schon keine anderen Motive zum Fotografieren habe, dann suche ich nach Möglicheiten, sie anders zu fotografieren oder anders zu präsentieren.

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