Nachdem ich nun eine ganze Weile Herbstlaub fotografiert, und dafür den Begriff #Blattversteher entwickelt habe, war ich heute ganz erstaunt über mich selbst. Plötzlich waren ganz andere Motive "dran": Architektur, Mobilität, Details mit Licht und Schatten, Spiegelungen... Sicher, das habe ich auch schon oft fotografiert, aber irgendwie anders. Ich habe mir diesen Motivwechsel nicht bewusst vorgenommen, die neuen Ansichten kamen einfach so auf mich zu. Während ich mich mit ihnen beschäftigte, ist mir unterwegs die Zeit abhanden gekommen. Wahrscheinlich war das wieder dieser berühmte "Flow".
Obwohl meine Fotos momentan keinem konkreten Zweck dienen (Bücher schreiben), fotografiere ich wie eine Besessene. Ich bin wahrlich eine "Vielfotografiererin". Da kommt schon die Frage auf, wieso mache ich das immer noch?
In meinen früheren Blogartikeln gibt es ein paar Erklärungsversuche, was mich am und beim Fotografieren beschäftigt: Veränderungen dokumentieren zum Beispiel, Schönheit und Vergänglichkeit sichtbar machen. Und natürlich die Skurrilitäten des Menschseins im öffentlichen Raum. In den letzten Wochen und Monaten bin ich immer wieder dieselben Wege gelaufen, und habe der Stimme meines Verstandes gelauscht. Die sagte: Es ist gut, du hast jetzt alles schon mal fotografiert, hör doch einfach auf damit. Nein. Die Motive wurden immer mehr, sie drängten sich mir regelrecht auf. Es ist schon beinahe lästig, weil manches auf den ersten Blick so aussieht, als hätte ich es genau so schon einmal abgelichtet. WARUM noch ein Foto? Ich spöttelte mit mir selbst und dachte an Karl Valentin: Es wurde schon alles fotografiert, nur noch nicht von jedem. Und was mich angeht, könnte ich hinzufügen: Da draußen hängen Abermillionen von Blättern an den Bäumen. Bist du erst zufrieden, wenn du sie alle fotografiert hast, oder was?
Ein Blatt ist ein Blatt - ist ein Blatt. Langweilig! Aber irgendwie hat sich mein Blick auf diese immer gleichen Dinge verändert, sie erscheinen mir jedes Mal neu, und manchmal auch in einem anderen Licht. Das meine ich nicht nur fototechnisch, im Sinne von Beleuchtung, sondern auch im übertragenen Sinn.
Ich schaue das Motiv an, und mir geht ein Licht auf - ein Aha-Moment, den ich leider nicht erklären kann. Manchmal ist es zum Lachen, manchmal zum Weinen, manchmal erstaunlich, beruhigend oder tröstend - auf jeden Fall ist es sehr bewegend. Diese Art des Fotografierens hat momentan nichts mehr mit dem zu tun, wie ich früher auf Motivsuche gegangen bin. Der Kopf schweigt immer öfter, und die Zeit bleibt stehen. Wenn ich aus diesem Zustand wieder "aufwache" und auf die Uhr schaue, stelle ich fest, dass gar nicht viel von der Uhrzeit abgelaufen ist. Dann freue ich mich, dass ich meiner Mutter das Frühstück doch wieder pünktlich servieren kann. Vielleicht ist es die Grinsekatze von Alice im Wunderland, die mich beim Fotografieren in diese komische Zeitblase hinein lockt, und auch darauf achtet, dass ich rechtzeitig wieder einen Ausgang finde. Solche Phasen hatte ich früher auch schon mal, diese jetzt ist besonders heftig.
Wenn ich aus dem Zeittunnel komme, fühle ich mich erfrischt und innerlich sehr ruhig. Egal was hinter oder vor mir liegt, es scheint okay zu sein. Das ist doch schon mal was. Auf in den nächsten Lockdown.
Scherzfrage zum Schluss: Haben Sie den Tabasco gefunden? 😏
Ordnung oder Chaos? Alles eine Frage der Perspektive.
Meditative Fotografie - gibt es mit Begleitung bei meinem Kollegen Georg Schraml, auch via Zoom. (Webseite, Gratis E-Book, Vimeo)
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