Dienstag, 26. Mai 2020

Spotlicht an


Letzte Woche habe ich diesen morschen Baumstumpf zum ersten Mal genauer angeschaut. Sie ahnen warum: Es waren die Strahlen der Morgensonne, die die Baumskulptur aus dem dunklen Hintergrund herausmodelliert haben. Nur an diesem Tag sah er genau so aus, schon am nächsten Tag musste ich gezielt nach diesem Objekt suchen, obwohl ich fast jeden Tag daran vorbeilaufe.

Der starke Kontrast von Licht und Schatten, der mich bei Naturmotiven oft stört, war in diesem Fall ein Vorteil. So entsteht das "Gesicht", der Hintergrund versinkt in Dunkelheit, und das Objekt wirkt im Foto plastischer. 

Jetzt oder nie!
Solche Lichteffekte dauern oft nur Minuten, dann steht die Sonne zu hoch oder sie verschwindet hinter einem Baum, einem Haus oder hinter einer Wolke.
Auch die kleinen Pilze auf dem Baumstamm sind ausgesprochen vergänglich. Mit meinem Smartphone sind extreme Nahaufnahmen schwierig, das Scharfstellen ist mühsam und der Autofokus zielt oft daneben. Außerdem hätte ich über einen Zaun klettern müssen, um nahe genug ans Motiv zu kommen. Mit der Sonne im Rücken hätte ich auch einen Schatten aufs Motiv geworfen. Mit etwas Abstand und einem Zoom kann man den Bildausschnitt viel einfacher wählen und variieren.

Lumix FZ1000ii | 400 mm | f4,0 | 1/125 s | ISO 160

Fokus und Schärfentiefe steuern
Bei der Auswahl des Fokuspunkts (auf welchen Punkt soll die Kamera scharfstellen?) habe ich mich für die Pilze vorne links entschieden. Mit einem einzelnen AF-Rahmen, den ich an die gewünschte Stelle des Motivs bewege, ist das Scharfstellen am genauesten.
Die Schärfentiefe ist am Kameramonitor nur dann gut zu beurteilen, wenn man von Hand scharfstellt (MF). Bei den Lumix-Kameras erscheint dann eine flimmernde Markierung (Fokus Peaking), die genau anzeigt, welche Bereiche des Motivs scharf abgebildet werden.
Bei Kameras, die diese Funktion nicht haben, mache ich mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Blendeneinstellungen im Modus A und wähle später am Computer die Aufnahme aus, bei der sich die Schärfentiefe am schönsten verteilt. Mir hat das Bild mit f4,0 (offene Blende, geringe Schärfentiefe) besser gefallen, als das Bild mit f11 (abgeblendet, größere Schärfentiefe), weil die selektive Schärfe die Gruppe der Pilze stärker betont.

Alternative Kamerafunktionen für Aufnahmen mit verschiedenen Blendenstufen wären das Bracketing- (Blenden-Reihe) oder die Post-Fokus-Funktion (Lumix), bei der die Kamera das Motiv mit verschieden gesetzen Fokuspunkten "durchfotografiert". Ich mach's am liebsten von Hand. 😉

Verwacklungsgefahr!
Ein Blick auf die Anzeige von Belichtungszeit und ISO-Wert lohnt sich immer: Wenn man die Blende schließt (f4 > f5,6 > f8 > f11), verlängert sich die Belichtungszeit und/oder der ISO-Wert steigt. Hier sind es trotz Sonnenschein und f4 nur 1/125 s. Bei meinen 400 mm Brennweite kann das schon zu Verwacklungen führen. Ob die Belichtungszeit noch für ein unverwackeltes Bild reicht, hängt davon ab, wie stark Sie zoomen, wie ruhig Sie die Kamera halten können, und wie gut Ihr Bildstabilisator arbeitet. Das sind Erfahrungswerte.
Die ISO-Automatik der FZ1000ii hat bei diesem Motiv nur moderat von ISO 125 (Standard) auf ISO 160 erhöht, f4 war fest eingestellt. Bei meiner Aufnahme mit f11 und 1/125 s waren es schon ISO 1600. Für eine kürzere Belichtungszeit müsste man in den Manuellen Modus (M) wechseln, aber das Licht wird ja nicht mehr - also f11 und 1/250 s würde bedeuten: ISO 3200 bei Sonnenschein für eine korrekt belichtete Aufnahme. Das ist hart, aber das ist eben das vielzitierte Belichtungsdreieck.
Manche Kameras ziehen den ISO-Wert in der ISO-Automatik sehr schnell nach oben. Überprüfen Sie deshalb stets die Anzeigen im Aufnahmemodus.

Tipps gegen das Verwackeln
Ein Bild ist mir bei 1/125 s verwackelt. Deshalb mache ich meistens zwei Aufnahmen hintereinander - auch ein Erfahrungswert. Oft gelingt eine der beiden Aufnahmen besser, obwohl die Einstellungen an der Kamera und die Lichtverhältnisse dieselben sind. Das liegt an meiner Konzentration oder dem Moment des Ein-/Ausatmens. Probieren Sie es selbst einmal aus, wenn Sie mit längeren Belichtungszeiten fotografieren. Es gibt verschiedene Empfehlungen, ob man beim Auslösen der Kamera die Luft anhalten oder ruhig weiter atmen soll. Scharfschützen atmen ruhig weiter, habe ich mal irgendwo gelesen. Das ist auch gesünder, vor allem, wenn man viel fotografiert. 😉

Geduld und Ausdauer
Manche Motive muss man sofort fotografieren, bei anderen zahlt sich Geduld aus. Eine Lebensgemeinschaft aus blühendem Bärlauch und Farnen hatte ich noch nicht gesehen. Als ich sie das erste Mal mit dem Smartphone fotografierte, hat mich das Ergebnis nicht überzeugt.

Bewölkt, Smartphone

Störende Elemente: Mir fehlte an diesem Tag ein Zoom für einen engeren Bildausschnitt - wieder war ein Gartenzaun im Weg. Am Boden sieht man auch noch die dunklen Stellen zwischen den Farnen. Das Motiv sah zauberhaft aus, aber die Beleuchtung war nicht optimal. Das Licht ist zu flach und die Spitzlichter auf den weißen Blüten waren nicht zu bändigen.

Bewölkt, Lumix FZ1000ii
Ein paar Tage später hatte ich die FZ1000 ii dabei, konnte aber immer noch nicht fotografieren, was ich meinte gesehen zu haben. Ich wollte schon aufgeben, und mich einfach nur am Anblick der Pflanzen erfreuen. Kurz bevor der Bärlauch verblüht ist, hat es dann doch noch geklappt:

Morgensonne, Nikon Coolpix P1000

Diesmal hatte ich die Nikon P1000 dabei, aber das allein ist es nicht. Sie sehen, dass diese Kamera (JPG) grundsätzlich ganz andere Farben liefert. Es war aber das "Spotlicht" und die Mischung aus Lichtern und Schatten, die mir am Ende geholfen haben, den "Zauber" der Szene in ein Foto umzusetzen. In Lightroom habe ich noch eine dunkle Vignette hinzugefügt, um die Farne in der Mitte zu betonen. Diese Vignette kam auch beim ersten Foto vom Baumstumpf zum Einsatz.

Sie kennen vielleicht diesen Spruch: Du steigst nie zweimal in den gleichen Fluß. Was das bedeutet erlebe ich täglich, wenn ich an den gleichen Motiven vorbeilaufe, und mich immer wieder wundere, was alles anders ist als am Tag zuvor. Panta rhei - alles fließt. (Wikipedia)

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