Mittwoch, 6. Oktober 2021

Panorama: Großes Kino

Wie oft nehmen Sie Panoramen auf? Haben Sie es schon einmal ausprobiert, oder erscheint es Ihnen zu kompliziert? Vielleicht fragen Sie sich auch, wo man Panoramabilder überhaupt sinnvoll einsetzen kann. Das ist wirklich ein Knackpunkt, denn die Motive kommen weder auf Bildschirmen noch in klassischen Buchformaten voll zur Geltung. Eigentlich müssen sie großformatig an die Wand, und dafür braucht man entsprechend Platz. Oder Sie entscheiden sich für ein Fotobuch, das eigens für die langgestreckten Formate konzipiert ist. Dann brauchen Sie mehr Panorama-Motive. Die sind gar nicht so schwer zu finden. Der "Baum mit Sonnenstern" ist ein Panorama aus vier Einzelfotos. Als ich diese Aufnahmen machte, war ich selbst neugierig, ob und wie gut sich diese Bilder später am Computer zusammensetzen lassen.

Das Panoramaformat als Gestaltungsoption 

Die einfachsten zwei Varianten für Panoramen sind a) der simple Zuschnitt eines Einzelfotos oder b) die Panoramafunktion in der Kamera oder dem Smartphone. Beim Zuschneiden eines Motivs geht Auflösung verloren, und der Detailreichtum lässt oft zu wünschen übrig. Die Panoramafunktion wiederum erzeugt nur JPEG-Dateien, und ist nicht immer fehlerfrei. Bei manchen Motiven bricht die Panorama-Aufnahme "unterwegs" ab, das Bild wird gar nicht oder nur unvollständig aufgenommen. An manchen Stellen wird das Motiv nicht richtig zusammengesetzt, man sieht unschöne Doppelkonturen, oder Teile des Motivs sind unrettbar über- oder unterbelichtet. 

In der klassischen Panoramafotografie wird deshalb sehr genau gearbeitet, mit Stativ und speziellen Stativköpfen, sowie mit manuellen Kameraeinstellungen, die genau aufs jeweilige Motiv angepasst werden müssen. Das ist wirklich aufwändig. Wenn Sie mit einer Vollformatkamera fotografieren, ist die von mir bevorzugte Quick&Dirty Lösung nicht so praxistauglich, denn je größer der Kamerasensor ist, und je besser die Objektive sind, die Sie verwenden, desto schneller sieht man den kleinsten Fehler. Trotzdem möchte ich Ihnen die Freihandtechnik und ein paar Bilder vorstellen, die ich mit meiner "Kompromisslösung" erzeugt habe.

Freihandfotos aufnehmen und am Computer zusammenfügen

Dazu brauchen Sie eine Software, die Einzelfotos zu einem Panorama verrechnet. Photoshop und Lightroom haben diese Funktion schon lange an Bord, und sie ist sensationell. Aber: Klappt das auch mit einem Sonnenstern im Bild? Im Motiv gibt es einen extrem hellen Lichtpunkt, der Rest des Motivs ist (sehr) dunkel. Bei den vier Einzelbildern habe ich auf eine sehr starke Überlappung geachtet. Üblicherweise geht man von einem Drittel der Bildfläche aus, ich nehme gerne bis 50%. Dadurch war der Sonnenstern in allen vier Motiven zu sehen, und er sah nicht immer identisch aus, weil sich die Lichtbrechung durch das Laub beim Verschieben des Bildausschnitts veränderte. 


Bild 2 und 3 unterscheiden sich kaum, in Bild 3 gibt es weniger Sonnenstern, dafür eine grelle grüne Überstrahlung links oben. Lightroom hat diesen Fehler automatisch korrigiert, und sich für den schöneren Sterneffekt entschieden. Deshalb lautet mein erster Tipp: Geben Sie der Software lieber mehr Datenfutter als zu wenig. 

Aufgenommen sind die Bilder mit der Lumix FZ1000 ii, im Modus A mit f11, der den Sterneffekt erzeugt, und außerdem für mehr Schärfentiefe sorgt. Den Fokuspunkt habe ich jeweils auf den Baumstamm beziehungsweise auf den markanten Ast gelegt, der die dominante Linie im Motiv darstellt. Arbeiten Sie grundsätzlich mit derselben Blendeneinstellung für alle Einzelaufnahmen, sonst werden Teile des Panoramas unscharf.

Die kamerainterne Panoramafunktion verlangt eine Aufnahme im Weitwinkelmodus. Was aber, wenn man das Motiv mit einer anderen Brennweite fotografieren will, vielleicht sogar mit einem 400 mm Tele? Auch das nächste Bild könnte theoretisch eine Einzelaufnahme sein, die ins 16:9 Format zugeschnitten wurde. Ich hätte näher ans Motiv gehen können, um so einen Ausschnitt zu erhalten, doch die Telebrennweite erzeugt eine besondere Bildästhetik. Sie lässt entfernte Objekte größer erscheinen, gleichzeitig rückt die Brücke im Vordergrund näher an die Kirchtürme; auch die Passanten wirken größer, als es in einem Foto mit weniger Brennweite der Fall wäre. Um trotzdem diese panoramaartige Bildwirkung mit hoher Auflösung zu erzielen, habe ich in diesem Fall zwei Aufnahmen miteinander kombiniert. Das Feintuning von Helligkeit, Farben und Schärfe erfolgt, nachdem das Panorama als DNG-Format vorliegt.

Hinweis: Einige der nachfolgenden Beispielfotos müssen hier im Blog aus technischen Gründen verkleinert angezeigt werden. Die Fotos sind jeweils 1200 Pixel breit und werden in voller Größe angezeigt, sobald Sie sie anklicken. Wegen der größeren Datenmenge können die Ladezeiten etwas länger sein.

400 mm | f4 | 1/640 s | ISO 125
Zwei Aufnahmen (Lumix FZ1000 ii)


Aufwändige Technik?

Natürlich macht das Zusammenfügen und Bearbeiten von Panoramabildern etwas mehr Arbeit als es bei Einzelfotos der Fall ist. Je mehr Fotos zusammengefügt werden, desto länger dauert es, bis die Vorschauen angezeigt werden, und bis das Bild am Ende zusammengerechnet ist. Für mich gab es in diesem Fotojahr trotzdem oft keine andere Alternative.

Das folgende Motiv ist kein Panorama im klassischen Sinn, aber eine "gestitchte" Aufnahme, was man an den Verzerrungen am oberen Bildrand erkennen kann. Aus kurzer Distanz mit dem Weitwinkel aufgenommen kommt es zu sehr starken Verkrümmungen, die beim Zusammenfügen der Einzelbilder nur bedingt herausgerechnet werden können. Nun kann man überlegen, ob man das Motiv aus einer anderen Perspektive fotografieren könnte. Verändert man den Standort, verschieben sich mit jedem Schritt die Positionen der Bildelemente zueinander. Das ergibt eine völlig andere Bildwirkung, also nein, kein Positionswechsel. Nur von hier lassen sich die Kirchtürme zusammen mit dem riesengroßen Baum kombinieren, und nur so lässt sich der subjektive Eindruck vermitteln, dass der Baum größer ist, als die Kirche - was natürlich nicht stimmt. 😉

Fünf Einzelfotos aus der Lumix FZ 1000 ii


Optionen bei der Panorama-Erstellung

Beim Zusammenfügen von Fotos | Panorama hat man die Wahl, wie die Einzelbilder miteinander verrechnet werden sollen. Bei kontrastreichen Motiven erscheint manchmal die Rückfrage, ob es sich um eine HDR-Aufnahme handelt. Beantwortet man das mit Ja, muss man die Daten für die Belichtungsreihe eintragen. Wenn es keine solche Belichtungsreihe gibt, kann das Programm die Helligkeit nicht korrigieren. Mit der Antwort Nein kommen Sie weiter zum Einstellungsmenü.

Klick aufs Bild für größere Ansicht
 

Trotz hoher Helligkeitsunterschiede im Motiv wird das Panorama relativ gut aufgehellt und abgedunkelt, wenn man sich für die Automatische Einstellungen entschieden hat. Gleichzeitig kann man die Randverkrümmung mit einem Schieberegler einstellen, und das Motiv automatisch freistellen (zuschneiden) lassen. Mit dem Befehl Kanten füllen werden weiße Bereiche an den Bildrändern aufgefüllt, was oft zu skurrilen Ergebnissen führt - also eher nicht anklicken. Die Option Stapel erstellen ist für Lightroom-Anwender sinnvoll, weil die Ansicht in der Bibliothek dann übersichtlicher wird.

Perspektivisch, zylindrisch oder kugelförmig? 

Ich entscheide das anhand der eingeblendeten Bildvorschau. Manchmal funktioniert die perspektivische Korrektur nicht, oder sie ist zu stark verzerrt. Wenn es eine Fehlermeldung gibt, dass das Programm die Bilder überhaupt nicht zusammensetzen kann, hilft manchmal ein neuer Anlauf mit weniger oder anderen Einzelfotos. Bei komplexen Motiven habe ich auch schon zwei separate Panoramen erstellt, und versucht, sie in Photoshop miteinander zu  kombinieren. Die Panorama-Funktion hat gute Gründe, warum sie manche Fotos nicht verrechnen kann. Darum versuche ich aus meinen Fehlern zu lernen, und meine (Freihand-)Aufnahmetechnik kontinuierlich zu verbessern.

Surreale Ansichten

Manchmal hat ein Panorama-Foto mit der Realität nicht mehr viel zu tun. Bei dieser Aufnahme von Bach und Brücke münden beide Teile des Motivs nebeneinander in jeweils eine Zentralperspektive, obwohl der Bach unter der Brücke hindurch fließt. Solche Effekte sind manchmal ganz interessant, weil ungewöhnlich. Die Panoramafunktion der Lumix ist an diesem Motiv gescheitert: Das Geländer im Nahbereich vorne links weist deutliche Artefakte auf. Bei größeren Abständen klappt es besser, aber speziell bei Szenen, in denen es senkrechte Linien gibt, kommt die Lumix-Panoramafunktion regelmäßig zum Stillstand. Das sind die Momente, in denen ich auf jeden Fall zur Freihand-Einzelaufnahme wechsle.

Panorama-Funktion Lumix FZ1000 ii

Dass man das Panorama auch für Hochformatmotive verwenden kann, habe ich zuletzt im Artikel Langzeitprojekt Auer Mühlbach erwähnt. Wenn Sie sich die Bildserie dort noch einmal anschauen, verstehen Sie vielleicht, warum ich - in manchen Situationen - das Panorama der Einzelaufnahme vorziehe.

 

Panorama-Dateien brauchen sehr viel Speicherplatz. Deshalb lösche ich das Original-DNG von der Festplatte, nachdem ich eine gut bearbeiterte TIFF oder JPEG-Datei exportiert habe. Auch diese Dateien sind sehr groß. Falls ich später doch noch einmal ein DNG benötige, lasse ich die ausgearbeiteten Panoramabilder im gleichen Ordner liegen wie die Einzelfotos. Auch wenn es keinen Bildstapel gibt, weiß ich dann, dass diese Motive zusammengehören. Bei der Verschlagwortung trage ich ein, dass die mitunter seltsam abgeschnittenen Einzelbilder "Pano-Bilder" sind, die allein dem Zweck dienen, später zu etwas Größerem zusammengesetzt zu werden. 

Auch Aufnahmen aus den Smartphone müssen bei mir für Panoramen und andere Stitching-Experimente herhalten. Die Qualität ist deutlich schlechter, und ich muss mehr an den Bildern arbeiten. Aber wenn gerade nichts anderes zur Hand ist... Dieses Motiv hatte ich zunächst in einem einzelnen Foto festgehalten, aber das enge 3:2-Format konnte die Weite der Szene einfach nicht wiedergeben. So ist das Freihand-Panorama für mich zu einer Art "Kinomodus" geworden, bei dem ich viel tiefer in die fotografierten Szenen eintauchen kann, als es bei "normalen" Bildformaten der Fall ist.

Panorama aus sieben Einzelfotos (Smartphone)

Wenn Sie sich diese Sonnenstern-Aufnahme noch einmal mit 1200 Pixel Kantenlänge anschauen wollen: Klick aufs Motiv für größere Ansicht.

Weitere Artikel hier im Blog zum Thema Panorama:

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